SWR2 Wort zum Tag

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Leben heißt: Loslassen können. Die Hände öffnen, die das umschlossen halten, was Halt und Sicherheit zu geben scheint, in Wirklichkeit aber fesselt.
In Afrika haben die Menschen eine einfache Methode, kleine Affen zu fangen.
Sie stellen am Waldrand Tonkrüge mit einem engen Rand auf, füllen Mandelkerne hinein und verstecken sich. Die Affen wittern ihre Lieblingsspeise, kommen heran und greifen gierig in den Krug. Freilich haben sie jetzt ein Problem: ihre Affenpfote, die mit Mandeln gefüllt ist, bekommen sie nicht mehr aus dem Krug heraus. Sie müssten die Mandeln nur loslassen, um ihre Freiheit zu retten. Aber sie essen die süßen Mandeln nun mal für ihr Leben gern, und so warten sie mit der gefüllten Pfote, bis die Menschen kommen und sie einfangen.
Die Geschichte enthält ein Gleichnis. Es gibt vieles, wonach Menschen greifen, vieles, was sie „für ihr Leben gern“ in den Händen halten. Das können materielle Dinge sein, das Haus z. B., oder die Firma. Es können Kleinigkeiten sein, sogenannte Erinnerungsstücke oder einfach Plunder, der die Schränke füllt. Natürlich kann es auch das Fernsehen sein, oder das Rauchen. Davon nicht „lassen“ zu können ist nicht so einfach, weil man daran hängt, oder weil „Es“ mittlerweile an einem hängt.

Wenn ich nur dich habe, so frage ich nicht nach Himmel und Erde, betet ein Mensch in der Bibel. Dieser Mensch hat es in der Kunst des Loslassens schon weit gebracht. Bei Gott ist er geborgen, hier erfährt er ein Glück, das ihm weder Himmel noch Erde bieten können.
Dabei ist es natürlich, wenn Menschen nach Himmel und Erde fragen, wenn sie sich am dem festhalten, was ihnen Wohlbefinden und Schutz verspricht. Ich denke an meine Familie, an die Menschen, mit denen ich verbunden bin. Und ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, jemals freiwillig davon zu lassen.

Aber zugleich spüre ich: Ich brauche mich nicht daran festzuklammern.
Es gibt etwas, das größer und wichtiger ist als alles andere. Etwas, das mein Leben mit all seinen Kostbarkeiten, ja selbst meine Beziehungen überdauert und übersteigt. Es ist Gott selbst. Die Geborgenheit bei ihm. Die Fülle seiner Gegenwart, die ich manchmal spüre und die mich frei macht.

Leben heißt: Loslassen können.
Nach Himmel und Erde werde ich fragen, solange ich lebe. Aber ich glaube, dass diese Fragen immer kleiner werden.
Und ich glaube, dass Gott meine leeren Hände füllt.


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