SWR2 Wort zum Tag

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Sie zündet immer wieder Kerzen an. Manchmal vertreibt sie damit die Langeweile. Manchmal denkt sie an andere Menschen. Und dann wieder sieht sie dieser Kerze einfach nur zu. Ihrer Kerze. Sie: das ist Sophie van der Stap. 21 Jahre alt, krebskrank. In ihrem Buch »Heute bin ich blond« erzählt sie bewegend und mitreißend von ihren Kampf mit dem Krebs, von ihren Gefühlen und ihren Nöten, von ihrem Lebensmut und der Trauer. Und vom Willen, nicht aufzugeben.
Sophie erzählt auch von den Nächten, in denen sie wach liegt. Erzählt von der Einsamkeit. Und erzählt von nächtlichen Besuchen in der Kapelle des Krankenhauses. Was sie dabei lernt: Kerzen anzuzünden. Kerzen für andere Menschen, Kerzen für Menschen, denen es eben auch nicht gut geht.
In Barcelona, Sophie weiß mittlerweile, dass sie wohl den Krebs besiegt hat, setzt sie sich in eine Kirche, weil ihr alles zu viel ist. Weil sie den leeren Kirchenraum braucht. Weil sie entdeckt hat, dass eine Kirche freundliche Mauern hat, Mauern, die einen beschützen. Und dann zündet sie Kerzen an. Für ihre Freundin Annabel, für ihre Mutter, die dritte Kerze ist geheim. Als sich Sophie in die Kirchenbänke setzt, spürt sie plötzlich Augen, die sie anblicken. Sie schreibt: „Ich lehne mich zurück und schaue meinem Freund gerade in die vertrauten Augen. Zwei Augen, die mich anblicken, immer und überall. Mein treuer Freund.“
Sophie ist alles andere als eine fromme Christin oder Kirchgängerin. Aber diese Augen, die sie da anblicken: Sophie sieht Jesus am Kreuz. Und spürt eine tiefe Verbindung spürt zwischen dem Menschen, der da am Kreuz hängt und stirbt, und ihrer ei-genen Geschichte, ihrem Kampf gegen den Krebs. Und dann tut Sophie etwas Ungewöhnliches. Sie beschließt, eine Kerze anzuzünden – für ihren ‚treuen Freund’, der da auf sie herabblickt. Eine ungewöhnliche, aufregende Idee. Sophie zündet eine Kerze für Jesus an. Nimmt ihn hinein in ihre guten Gedanken an alle, die leiden. Mit wenigen Zeilen holt Sophie van der Stap diesen Jesus vom Sockel. Sie sieht in ihm einen Menschen, der leidet, für den man Kerzen anzünden muss. Kerzen für Jesus. Weil alle Menschen, die leiden, Kerzen brauchen können.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3872
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