SWR2 Wort zum Tag

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Schlüssel verlegt? Brille verloren? Das Portemonnaie irgendwo liegen gelassen? Ziemlich ärgerlich. Früher auch – aber es war trotzdem einfacher, damit umzugehen. Zu-mindest wenn ich meinen Großeltern glauben soll. Ihnen genügte ein Stoßgebet zum Heiligen Antonius. Der war bei meiner Großmutter für das Wiederfinden verlorener Gegenstände zuständig. Der Heilige Antonius von Padua. Heute denke ich manchmal: Ein praktischer Heiliger. Und dann wieder frage ich mich, was das soll: Ein Heiliger für verloren gegangene Dinge?
Um Antonius von Padua, der im 12. und 13. Jahrhundert lebte, ranken sich viele wun-derbare bis skurrile Geschichten. Eine davon betrifft verlorene Sachen. Ein junger Mönch nahm einmal ein Buch von Antonius mit. Ohne seine Erlaubnis. Da hätte er besser nicht getan. Denn der junge Mönch wurde daraufhin von Erscheinungen, von Visionen gepeinigt. So schnell es ging, heißt es, brachte er das Buch dem Antonius zu-rück. Seitdem gilt der Heilige als probate Hilfe, wenn man etwas verloren oder verlegt hat.
Antonius ist mehr als eine skurrile kirchengeschichtliche Anekdote. Seine Geschichte zeigt, dass der christliche Glaube ganz lebenspraktische Aspekte besitzt. Ich erlebe das oft so: Wenn ich etwas verloren oder verlegt habe, werde ich schnell verkrampft. Ich denke: Verdammt, irgendwo muss der Schlüssel doch liegen! Und manchmal macht mich die angestrengte Suche dann zu blind, um wirklich etwas zu finden. Ich glaube, dass da der Blick auf etwas anderes oder einen anderen, wie zum Beispiel Antonius, entkrampft. Weil ich nicht mehr an den verlorenen Schlüssel denke, kann ich plötzlich weiter sehen, besser suchen. Und dann vielleicht sogar den Schlüssel finden.
Der Heilige Antonius erzählt aber auch davon, dass der Alltag heiliger ist, als ich oft denke. Denn Heilige wie Antonius helfen mir, Alltag und Glauben miteinander zu verknüpfen. Sie zeigen, dass der Glaube nicht nur in die Kirche, sondern auch in die eigenen vier Wände gehört, in das eigene Leben hineinragt. Glaube, das erfahre ich bei so lebenspraktischen Heiligen wie Antonius, Glaube will das Leben ermöglichen, gerade in den kleinen Dingen des Alltags. Etwa, wenn ich etwas verloren habe, es dann wiederfinde und nur sagen kann: „Gott sei Dank“.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3871
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