SWR3 Gedanken

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Es gab Zeiten, da war der Tod schon mal schick, zumindest in den besseren Kreisen der Gesellschaft. Im Zeitalter der Romantik war das. Die Zeit der schönen Tode hat der Historiker Philippe Aries diese Zeit einmal genannt. Das hat sich heute dramatisch verändert. Der Tod ist aus der Mitte der Gesellschaft längst in die unbeleuchteten Randzonen abgewandert. Siechtum und Sterben sind vielfach zum Betriebsunfall einer jugendfixierten, erfolgsorientierten Leistungsgesellschaft verkommen.
Da erscheint die Idee des Künstlers Georg Schneider gar nicht mal so falsch, einen Freiwilligen im Museum friedlich sterben zu lassen, vor aller Öffentlichkeit. Die Aufregung darüber reicht zur Zeit von völliger Verdammung bis zu verhaltener Zustimmung. Dabei ist Sterben immer schon ein Medienereignis mit Unterhaltungswert gewesen. Was früher einmal die öffentlichen Hinrichtungen waren, sind heute Fernsehkrimis und Ballerspiele, in denen tagtäglich und oft stundenlang gequält und gestorben wird – rein virtuell natürlich, zur Unterhaltung. Der ganz reale Tod kommt uns dann in Fernsehnachrichten oder Zeitungen ins Haus. Aus Kriegs- oder Katastrophengebieten oder vom täglichen Sterben auf unsern Straßen.
Gegen all das erscheint die Idee des Künstlers eigentlich harmlos. Warum also die Aufregung? Vielleicht, weil sie dennoch an ein Tabu rührt? Weil der Tod nämlich, wie die Sexualität, die Intimsphäre des Menschen berührt, in der wir selber am liebsten vertraute Menschen bei uns haben möchten? Am Bildschirm mögen wir ja schon mal den Voyeur spielen, der Wildfremde beim Liebesspiel oder eben beim Sterben beobachtet. Im realen Leben aber würden sich die meisten von uns wohl eher peinlich berührt abwenden.
So gesehen hätte die Sterbe-Performance im Museum ihren Zweck schon vorher erfüllt, wenn sie denn zu einem Nachdenken über unsern Umgang mit dem Tod führt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=3859
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