SWR2 Wort zum Tag

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Hat Jesus eigentlich gelacht oder nicht? In Umberto Ecos mittelalterlichem Mönchs-Roman „Der Name der Rose“ streiten sich die Gelehrten um diese scheinbar harmlose Frage. Die konservative Fraktion lehnt die Vorstellung strikt ab: Jesus hat sich nicht amüsiert und er hat auch nicht gelacht. Das Lachen ist etwas Unernstes, eine Maskerade des Teufels.
Natürlich wissen die Gelehrten, die so argumentieren, um die Gefährlich-keit des Lachens. Lachen bedroht die Machthaber in Kirche und Staat und nimmt ihnen ihre stärkste Waffe – die Angst. Lachen hat etwas Anarchi-sches.
Ecos Motiv ist gewiss eine historische Konstruktion. Sie scheint allerdings nicht nur die Bibel, sondern auch den breiten Strom bildlicher Christusdar-stellungen hinter sich zu haben. Weder in den Evangelien des Neuen Tes-taments noch in Christusbildern der Kunst wird uns ein lachender Jesus gezeigt.
Eine historische Ausnahme kenne ich: In einer Dorfkirche im Schweizer Ermatingen am Bodensee hatte zumindest einer der Künstler, die an ihrer Ausgestaltung mitwirkten, den Mut, gegen den Strom zu schwimmen. Der Schlussstein im Deckengewölbe einer Seitenkapelle zeigt einen lächelnden Christus.
So ganz anders als die vertrauten Darstellungen vom geschlagenen Schmerzensmann am Kreuz ist dieses Bild. Dabei ist das Konterfei Jesu recht konventionell: langes wallendes Haar, Vollbart, schlanke Gesichtszü-ge – und hinter dem Kopf ein dreistrahliger Heiligenschein. Doch der Mund Jesu ist unmissverständlich zu einem Lächeln verzogen, und die Augen – zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen – lachen mit.
Ganz gleich, was sich der Steinmetz bei seiner Jesus-Darstellung gedacht haben mag – sein lächelnder Christus verrät, dass er etwas von Ostern verstanden haben muss. So wie die Tränen zur Trauer über den gekreuzig-ten und verlorenen Jesus gehören, so gehört das Lachen zur Freude über das wieder gefundene Leben. Es gehört zur Freude über jeden Schmerz, der in seiner lähmenden Kraft überwunden ist.
Der lächelnde Christus in der Ermatinger Dorfkirche ist möglicherweise der, der vom Tod auferstanden ist und nun Tod und Teufel verlacht. Sein La-chen bietet eine Macht auf gegen den Tod, gegen die Angst, gegen die Un-terdrückung. Und er lächelt denen, die hier ihre Gottesdienste feiern, zu, um ihnen zu sagen: „Ihr dachtet, ich sei tot. Doch schaut, ich lebe und in mir findet ihr das Leben!“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3828
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