SWR2 Wort zum Tag

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„Umkehr“ ist ein zentraler Begriff christlichen Lebens. Wo kann und muss ich meinem Leben eine neue Orientierung geben? Wo kann ich mich aus einem verkehrten Denken und Leben lösen und auf neue Lebensmöglichkeiten hin frei werden? Diese Fragen sind immer aktuell.
Ich habe kürzlich von Jugendlichen gelesen, die es geschafft haben, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Drei junge Männer, 16, 17 und 19 Jahre alt. Vor einigen Monaten haben sie – angestiftet von einem älteren Erwachsenen – auf einem jüdischen Friedhof im Kaiserstuhl 71 Grabsteine schwer beschädigt. Ihre Motive waren eindeutig rechtsradikal, ebenso wie Szene, in der sie verkehrt haben. Diese Tat hat weit über Südbaden hinaus Empörung ausgelöst – zu Recht. Die jungen Leute wurden rasch gefasst, vor Gericht gestellt und zu mehreren Wochen Jugendarrest verurteilt. Selbstverständlich müssen sie gerade stehen und Verantwortung für das übernehmen, was sie in rassistischer Verblendung angerichtet haben.
Diese Geschichte hat aber auch eine Fortsetzung, die ich nicht verschweigen möchte. Diese Fortsetzung ist nicht spektakulär, aber dennoch ermutigend. In zweiter Instanz hat das zuständige Landgericht den Antrag der Staatsanwaltschaft abgelehnt, die eine härtere Strafe gefordert hatte. Die drei Jugendlichen betonten vor Gericht, sie hätten der rechtsradikalen Szene und dem braunen Gedankengut abgeschworen; sie bereuten die schlimmen Taten von damals. Freiwillig nehmen sie an einem Aussteigerprogramm für Rechtsextreme teil. Der Richter glaubte ihnen; das seien nicht nur Lippenbekenntnisse, befand er.
Ich freue mich für diese drei jungen Männer, dass sie eine Chance bekommen und wahrgenommen haben. Dass Angebote der Jugendhilfe ihnen eine neue Orientierung ermöglicht haben; und dass ein Richter ihnen geglaubt hat.
Ich denke bei diesen Ereignissen an das diesjährige Schwerpunktthema der Caritas: „Achten statt ächten“, so lautet es. Schwierige junge Menschen nicht abschreiben, sondern ihnen Hilfe anbieten; und ihnen ein Vorschuss an Vertrauen und Achtung entgegen bringen – das bedeutet dieser Appell. Wie könnten sie sonst lernen, sich selbst zu vertrauen? Wie könnten sie sonst den Mut finden, neu anzufangen?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=3813
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