SWR3 Gedanken

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Filippo Neri ist Priester und lebt im Rom des 16. Jahrhunderts. Damals hat man´s nicht leicht als Geistlicher, denn das Image der Kirche ist am Boden: die kirchlichen Würdenträger werden immer ungebildeter und Prostituierte sind ihnen wichtiger als echte Seelsorge. Gläubige betreten die Kirchen lieber zum Hintereingang. Aus Angst vor Spott, heißt es.
Einen aber lieben die Römer. Sie nennen ihn liebevoll „Pippo buono“, den guten kleinen Filippo. Vielleicht weil Filippo Neri so bodenständig und normal ist und eine gute Portion Humor hat.
Einmal verkleidet er sich als Kardinal und lässt sich von Straßenkindern die Schleppe tragen. Ein anderes Mal bringt er einer Verehrerin lachend die auftoupierte Frisur durcheinander, als sie um seinen Segen bittet. Er nimmt die menschlichen Schwächen auf Korn, und weiß, dass er selbst genug davon hat. Deshalb lautet sein Lieblingsgebet: „Mein Jesus, verlass dich nicht auf mich!“
Filippo Neri erntet manchmal auch Gelächter für seine Frömmigkeitsausbrüche. Dann stößt er spitze Schreie aus, tanzt durch die Kirche oder bricht in Tränen aus. Er leidet unter diesen Ekstasen und sagt: „Ich bin verwundet von Liebe.“ Er meint die Liebe zu Gott.
Aber auch die Menschen liebt Filippo. Er besucht Kranke und Gefangene und versucht ihnen zu helfen. In einer Dachkammer sammelt er seine Anhänger und gründet eine Art lockere Bet-WG, die bis heute Bestand hat, die so genannten „Oratorianer“.
Vieles hat Filippo Neri richtig gemacht. Aber in einem Punkt hat er sich gewaltig geirrt: Nachdem er mit einem Freund einen Schlauch Wein geleert hat, torkelt er durch die Kirchen von Rom, singt unanständige Lieder und sagt: „So, jetzt kommt bestimmt niemand mehr auf die Idee, uns beide als Heilige zu verehren.“ Am 26. Mai 1595 stirbt Filippo. Und schon 27 Jahre später wird er heilig gesprochen. Heilig, humorvoll und bodenständig. Auch das gibt´s in der katholischen Kirche.
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