SWR3 Gedanken

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Auf der Spielzeugverpackung steht: „Mit dieser Rassel fördern Sie die motorischen Fähigkeiten ihres Kindes. Und weiter: Mit dem Spiegel lernt es sein eigenes Spiegelbild zu erkennen und ihm zuzulächeln.“
Na, dann muss ich diese Rassel für meine Tochter wohl kaufen, dachte ich, aber eigentlich hätten die doch gleich draufschreiben können: „Mit dieser Rassel werden sie ihr Kind bestmöglich für ein Studium in Harvard vorbereiten.“
Immer mehr werden Kinder und Jugendliche darauf getrimmt, dass sie vor allem eins bringen, nämlich Leistung. Das fängt bei der Rassel an, geht beim Französisch im Kindergarten weiter und hört noch lange nicht bei der Nachhilfe auf.
Förderung ist wichtig, und natürlich will ich meiner Tochter keine Möglichkeiten verbauen. Auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass Förderung immer mehr zu so etwas wie ein Götze wird, den man geradezu anbetet und für den man fast alles opfert. Geld und Zeit der Eltern und den Spieltrieb der Kinder. Dabei müssen zwei Dinge doch immer völlig frei sein von Zweck und Ziel: Nämlich das Spiel und der Glaube.
Beim Spiel kann man das sofort sehen: Meine Tochter spielt nicht mit der Rassel, weil sie ihre Motorik fördert, sondern weil sie so nett rasselt. Sie spielt, weil es ihr Spaß macht. Spielen ist das Ziel. Mehr nicht.
Beim Glauben ist das genau so. Da geht es auch nicht zuerst um die Leistung, sondern um den Menschen.
Der Mensch selbst ist das Ziel. Das erlebe ich jedes mal, wenn ich in einen Gottesdienst gehe. Da muss ich nichts tun. Nicht mal zuhören. Ich habe die vier dicken Mauern um mich rum und es darf passieren was will. Ich kann hinhören oder nicht, mitsingen oder nicht, einfach da sein, vor Gott.
Beim letzten Gottesdienst hat meine Tochter übrigens die Rassel dabei gehabt und als der Chor gesungen hat, hat sie mit der Rassel im Takt mitgerasselt.

Das stand übrigens nicht auf der Packung: Fördert das Taktgefühl ihres Kindes.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3694
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