Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Eine der ersten fast food Mahlzeiten ist in der Bibel beschrieben. Gebratenes Lamm gab es damals, ungesäuertes Brot dazu, mit bitteren Kräutern. Aber die, die es zu sich nahmen, taten das nicht aus Vergnügen. Die Israeliten mussten fort aus Ägypten, dem Land, in dem sie unterdrückt waren und Sklavenarbeit verrichteten. Mose sollte sie auf den Befehl Gottes in das gelobte Land führen. Und darum hieß es: Aufbrechen mitten in der Nacht und zuvor noch die letzte Mahlzeit, das Passah-Mahl bereiten. „So sollt ihr das Passa-Mahl essen“, heißt es in der Bibel, „um eure Lenden sollt ihr gegürtet sein und eure Schuhe an euren Füßen haben und den Stab in der Hand und sollt es essen als die, die hinwegeilen.“
Essen als die, die hinwegeilen. Freiwillig taten sie das nicht: In der einen Hand den Stab, in der anderen das gebratene Lammfleisch. Aber die Flucht aus Ägypten ließ ihnen keine andere Wahl.
Heute sehe ich immer Leute mit Pappbechern, in denen der Kaffee schwappt, über Bahnsteige und durch die Fußgängerzonen eilen. “Ihr esst es als die, die hinwegeilen“, denke ich. Aber warum machen die das? Niemand ist da, der sie bedroht, der ihnen sagt: Macht schnell, dass ihr hier wegkommt. Das hat so was Gehetztes, so was Verurteiltes: Kaffee und Pizza to go. Und wirklich neu ist das auch nicht.
In der einen Hand den Stab, in der anderen das Essen. So verließen die Kinder Israels die Sklaverei. Freiheit heißt dann: Zeit haben, nicht mehr hetzen müssen. Nicht essen als die, die hinwegeilen. Freiheit heißt: sich Zeit nehmen, sich an einen Tisch setzen, draußen in die Mai-Sonne, und den Leuten mit ihren Coffee to go Bechern zuschauen.

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