SWR3 Gedanken

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Ernst Bloch, Bertold Brecht, Siegmund Freud, Heinrich Heine, Franz Kafka, Erich Kästner, Joachim Ringelnatz, Anna Seghers, Kurt Tucholsky. All diese Namen lesen sich wie das „Who is who“ der deutschsprachigen Literatur. Ihnen allen gemeinsam ist am 10. Mai 1933 nur eines: Ihre Bücher brennen gut.
Mit pathetischem Pomp und martialischen Sprüchen werden an jenem Abend in ganz Deutschland nicht nur Bücher ins Feuer geworfen. Im Prasseln der Flammen geht eine ganze Gedankenwelt zugrunde. Jedenfalls wenn es nach dem Willen der Nationalsozialisten geht. Und selbst nach 65 Jahren tut der Gedanke weh. Weil ja eben nicht nur Bücher verbrannt worden sind. Sondern Geist und Esprit, Kultur und Menschlichkeit.
„Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“ Prophetische Worte, die Heinrich Heine schon 1820 dichtet. Gut hundert Jahre, bevor auch seine Werke auf der Schwarzen Liste landen. Und wie Recht er damit hatte, hat längst die Geschichte erwiesen. Und erweist es bis heute.
Denn das Bücherverbrennen haben die Nazis nicht erfunden. Schon in der Antike brannten Schriftrollen, um missliebige Gedanken zu vernichten. Was aber noch weit schlimmer ist: Bücher brennen auch heute noch. Sie tun es selten in unserem Land, sie tun es anderswo. Und es ist noch immer ein deutliches Zeichen für einen höchst ungesunden Fundamentalismus, wenn Bücher ins Feuer fallen.
Und dennoch bleibt der 10. Mai 1933 ein einzigartiger Tiefpunkt kultureller Tyrannei. Kein Aufwallen von wie auch immer motivierten Gefühlen, keine irregeleitete Abscheu lässt Bücher brennen. Damals war es eine kühl durchdachte Weltanschauung, die mit zynischer Sorgfalt und Bürokratie eine enorme Manipulation organisiert. Und Tausende lassen sich manipulieren. Viele davon vermutlich ohne die geringste Ahnung, warum sie schreien und toben und nachplappern, was man ihnen vorplappert.
Und schon allein deshalb finde ich den 10. Mai in jedem Jahr einen Gedanken wert. Weil er lehrt, wie leicht man Gedanken manipulieren, umpolen und schließlich töten kann. Und das möge uns nie wieder widerfahren.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3644
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