SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Ihr Männer von Galiläa, was schaut ihr staunend gen Himmel? So wie ihr Jesus gen Himmel auffahren saht, so wird er wiederkommen.“
Diese Worte finden sich bei dem biblischen Schriftsteller Lukas. Er beendet damit seine Erzählung von der Himmelfahrt Jesu. Diesem Lukas verdanken wir, daß heute auf jeden Fall Feiertag wäre, auch ohne den 1.Mai. Denn Lukas erzählt die Rückkehr Jesu zu seinem Vater im Himmel als ein Extra-Ereignis. Bei den andern Autoren des Neuen Testaments heißt es einfach nur: Jesus wurde erhöht zum Vater.
Und anfangs sind die Christen beim Feiern diesen andern Autoren gefolgt. Man feierte also nicht ein eigenes Himmelfahrtsfest, sondern man beging eine Festzeit von 50 Tagen, die von Ostern bis Pfingsten dauerte. Während dieser 50 Tage feierte man die Auferstehung, die Himmelfahrt und Pfingsten zusammen als ein einziges Fest. Jesus, aus dem Tod erweckt und zum Vater erhöht, hinterlässt den Jüngern den Heiligen Geist. Diese Gedanken durchzogen die ganzen 50 Tage. Es ist ja auch viel, was es da zu feiern und zu glauben gibt.
Um 400 nach Christus begann man dann anders zu feiern. Jetzt wurde nämlich Lukas für den kirchlichen Festkalender bedeutsam. Er erzählt nacheinander die Stationen des Lebens Jesu. Es beginnt damit, dass ein Engel seine Geburt ankündigt, und geht über Weihnachten, Karfreitag und Ostern bis eben zu seiner Rückkehr zum Vater im Himmel. In jedem Kirchenjahr können wir seitdem Schritt für Schritt das Leben Jesu nachvollziehen. Und so kommt es, dass wir heute Christi Himmelfahrt als eigenes Fest feiern. Selbstredend ist Christi Himmelfahrt damit auch älter als der 1.Mai. Aber ich finde, sie passen durchaus gut zusammen.
Denn Himmelfahrt lenkt den Blick auf die irdischen Dinge. Die Jünger müssen das mühsam lernen. Jesus ist nicht mehr bei ihnen auf der Erde. Er ist den Blicken entschwunden, sie gucken ihm immer noch nach, bis Engel kommen und sie aufrütteln: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut gen Himmel?“
Also, nicht zum Himmel schauen sollen die Jünger, sondern zur Erde. Wenn ihr Euern Freund und Meister Jesus sucht, dann kümmert euch gefälligst um eure Erde. Lukas drückt das so aus: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen ... und werdet meine Zeugen sein, in Jerusalem ... und bis an die Grenzen der Erde.“ Die Jünger sollen nicht in Erinnerung verharren, sondern etwas tun, nämlich bis an die Grenzen der Erde, also für die ganze Welt, von dem erzählen, was sie mit Jesus erlebt haben und woran sie glauben. Und da spielen auch die sozialen Fragen eine wichtige Rolle. Wer sich an Jesus orientiert, muss für andere da sein. Wer sich an Jesus orientiert, wird für Gerechtigkeit eintreten. Leider hat die Bibel kein Patentrezept für die Arbeitswelt. Aber sie drängt dazu, die seelische und materielle Situation von Menschen ernst zunehmen und sich an den großen wirtschaftlichen Zusammenhängen abzuarbeiten. Natürlich ist die Bibel parteilich für die Schwächeren. Genauso fordert sie auch den realistischen Blick auf die größeren wirtschaftlichen Zusammenhänge. Und sie legt nahe, immer wieder das eigene Gewissen zu prüfen: Wie gerecht ist das, wofür ich eintrete? Wer trägt die Folgen? Diese Fragen sind häufig schwer zu beantworten angesichts der vielen wirtschaftlichen Verflechtungen. Aber es führt kein Weg vorbei an den höchst irdischen, realen Problemen und am Versuch, sie möglichst gut zu lösen. Bei Lukas sehen das auch die Jünger allmählich ein. Nachdem sie sich von ihrem Schock erholt haben, gehen sie dann höchst motiviert ihre Aufgaben an. Das ist 9 Tage später, zu Pfingsten. https://www.kirche-im-swr.de/?m=3627
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