Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Ich brauch keinen“, sagte mir ein Mann, als ich ihn besuchte. Und er war auch noch stolz darauf. Er wollte sich um keinen kümmern und er wollte auch von keinem etwas wissen.
Bis er irgendwann hinfällig wurde und angewiesen auf die Hilfe anderer.
Da fiel ihm plötzlich die Kirche ein.
„Kann da nicht mal jemand kommen, zum Putzen und Besorgungen machen?“ fragte er mich.
„Da findet sich bestimmt jemand, wenn Sie dafür bezahlen“, sagte ich.
„Nein, das ist mir zu teuer“, antwortete er. „Aber das müsste doch auch jemand einfach so machen, als Nachbarschaftshilfe oder aus Nächstenliebe.“
So funktioniert Nächstenliebe aber nicht. Nächstenliebe kann man nicht einfor-dern. Und schon gar nicht so ein Mensch, der sich ein ganzes Leben lang darum bemüht hat, nicht liebenswert zu sein.
Moralisch gesehen verhält sich dieser Mann unmöglich. Mit so einem möchte kaum einer was zu tun haben.
Vor Gott allerdings ist er einer, der jeden Kontakt verloren hat: Zu den anderen, zu sich selbst und zu Gott. Die Bibel nennt das „Sünde“.
Wie kann man so einem helfen?
Bestimmt nicht dadurch, dass man nach seiner Pfeife tanzt und tut, was er erwartet. Ich glaube, Veränderung ist nur möglich, wenn er selbst es will. Wenn er sich in Bewegung setzt.
Das ist so wie mit dem Zöllner Zachäus aus der Bibel: den konnte auch keiner leiden, weil er immer nur auf seinen Vorteil bedacht war.
Aber eines Tages spürte er eine seltsame Sehnsucht in sich. Und die Sehnsucht wurde so übermächtig, daß er ihr folgen musste. Sie führte ihn zu Jesus und zu den vielen Menschen, die um ihn standen.
Weil Zachäus klein war und ihn auch sicher keiner durchgelassen hätte, stieg er auf einen Baum, denn er mußte Jesus unbedingt sehen. Und da geschah etwas, das sein ganzes Leben umkrempelte: Jesus hat ihn angeschaut.
Von diesem Tag an war Zachäus ein anderer. Er hat vielleicht zum ersten mal gespürt: ich brauche jemanden. Ich bin nicht glücklich so allein.
Manchmal schickt Gott eine so große Sehnsucht, und die macht, daß ein Mensch sich wider aller Erwartung doch noch bewegt. Und dann geschieht das große Wunder der Verwandlung, daß ein Mensch wieder sein Herz spürt. Und ihm
andere etwas bedeuten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3592
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