Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Allesverloren – so heißt ein wunderbarer Rotwein aus Südafrika. Allesverloren - wie kommt jemand darauf, seinen Wein so zu nennen?

Es ist so etwa dreihundert Jahre her, da bekommt die weiße Siedlerin und Witwe Cloete ein entlegenes Stück Land in Südafrika zugewiesen. Sie versucht es mit dem Weinbau. Alles steckt sie da rein: ihren ganzen Mut, ihr bißchen Vermögen, ihre Kraft.
Nun – es liegt auf der Hand, daß diese Art der Landverteilung zu Konflikten führen muß: Da sind schließlich noch die Schwarzen, denen das Land eigentlich gehört. Eines Tages jedenfalls, als Cloete von einer mühsamen Fahrt in die Stadt zurrückkommt, liegt ihr Haus in Schutt und Asche und der Weinberg ist zerstört. Da gibt sie ihrem Weingut den Namen „Allesverloren“.
Alles verloren.
Und so ging das weiter in Südafrika, fast dreihundert Jahre lang: Rassenwahn, Zerstörung, Mord und Totschlag.
Als das endlich ein Ende nahm und ein Rechtsstaat herrschte, da war die Frage: Was machen wir mit den vielen Menschen, die alles verloren haben? Und wie gehen wir mit den Schuldigen um?
Angeführt von Bischof Tutu ging man einen ganz neuen Weg, der hieß:
Sühne statt Strafe. Die sog. Wahrheitskomission ging den Verbrechen nach und forderte die Täter auf: „Gesteht, und ihr werdet begnadigt.“
Wo nicht, sollte sie die ganze Härte des Gesetzes treffen.
Tausende gestanden ihre Verbrechen.
Das gab den Hinterbliebenen ihre Angehörigen nicht zurück, aber es änderte viel: Die Wahrheit kam ans Licht. Und die Ungewissheit hatte ein Ende.
Auch wenn sie alles noch einmal durchleben mußten, sie waren nicht mehr allein gelassen mit ihrem Schmerz.
So konnte es einen Neuanfang geben. Im Gesang der Südafrikaner klingt der Schmerz noch deutlich nach, aber da ist auch so viel Hoffnung und diese ungebrochene Fröhlichkeit.
Und ob Sie´s glauben oder nicht: das alles mischt sich in diesen wunderbaren Rotwein: Wenn ich ihn trinke, schmecke ich die warme Erde, die so viel zu erzählen weiß von Hoffnung und Tränen und neuem Beginn.
Allesverloren – das Weingut wurde einige Jahre später wieder aufgebaut. Heute gehört es zu den floriensten Weingütern Südafrikas.
Allein der Name ist geblieben: Allesverloren. Und hält die Erinnerung wach.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3591
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