SWR4 Abendgedanken BW

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Verwundert habe ich vor Jahren bei einem Traugespräch gehört, dass die junge Frau ihre Eltern erst noch einladen müsse, die wüssten noch gar nichts von der bevorstehenden Hochzeit. "Wissen Sie, ich habe nie wirklich einen Vater gehabt", sagt die Tochter des selbständigen Handwerkers, "darum zieh' ich das jetzt auch ohne ihn durch".
"Sie hat ja recht", meinte geknickt und ziemlich traurig der Vater bei einem späteren Gespräch: "als die Kinder klein waren, habe ich nicht viel mit ihnen anzufangen gewusst - "später, wenn man vernünftig mit ihnen reden kann ..." habe ich mir immer gesagt - und dann habe ich ja auch das Geschäft aufgebaut, für die Kinder, habe ich mir immer gedacht.
Und heute ist es zu spät ... keines der Kinder will ins Geschäft einsteigen. Sie sagen: "So wollen wir nicht leben, dass der Ehepartner und die Kinder immer zuletzt kommen und meine Kinder dauernd das Gefühl haben, sie sind dem gestressten Vater eher lästig ..." - na ja", meint er schließlich mit gezwungenem Lächeln, "vielleicht kann ich als schlechtes Beispiel dienen, wie man es nicht machen soll...!"
Diese Einsicht ist, auch wenn sie verspätet kommt, nicht selbstverständlich und ich achte den Mann noch heute dafür. Vor lauter Tüchtigkeit vielleicht, hatte dieser Vater nicht die Zeit, sich mit seinen Kindern zu befassen und ihnen beizustehen.
Wie steht doch in der "christlichen Haustafel" im Kolosserbrief (Kol 3, 21): Ihr Väter, erbittert eure Kinder nicht, damit sie nicht scheu werden.
Ob sich das, wenn wir jetzt "altersmilde" werden, noch nachholen oder nachbessern lässt?
Für den erwähnten Vater ergab sich noch eine Chance: Ein "spätes Kind", ein Nachzügler, wurde ihnen geboren und der Vater hat sich um 180 Grad gewendet. Diesem Kind jetzt wurde er ein aufmerksamer und zugewandter Vater und es war rührend mit anzusehen, wie die beiden an einem oft frühen Feierabend miteinander "g'schirrten".
Seine schon erwachsenen Kindern nahmen die späte Einsicht und Entschuldigung des Vaters an. So haben sie neu miteinander anfangen können und es ist keine Verbitterung geblieben. "Ihr Väter, erbittert eure Kinder nicht, damit sie nicht scheu werden."
Ein 'spätes Kind' gab diesem Mann die Chance, neu anzufangen. Vielleicht hilft manchem von uns "altersmilde" Gewordenen schon eine "späte Einsicht", dass man manches vernachlässigt hat, als die Kinder klein waren. Daraus kann sich die Chance zum offenen Gespräch ergeben. Das kann Verbitterungen lösen und macht einen neuen Anfang möglich.
So können wir uns jetzt einander erwachsen zuwenden.
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