SWR4 Abendgedanken BW

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Wo kann ich mich geborgen fühlen, wenn ich älter werde?
Ein Bild gefällt mir halt immer noch, auch wenn es mir selbst manchmal ein bisschen kitschig vorkommt: Vor ein paar Tagen habe ich wieder eine Schafherde mit ihrem Schäfer gesehen. Der führte sie heim in den Pferch und wenn sich ein Schaf zu weit weg wagte und ängstlich blökte, rief der Hirte es. Schnell drängte sich das Schaf zur Mitte der Herde, suchte die Geborgenheit der Menge.
Manchmal beneide ich so ein Schaf, ehrlich. Einer von vielen zu sein, Entscheidungen anderen überlassen, nicht auf mich gestellt zu sein, in der Herde daheim, das hat etwas Verlockendes. Das andere habe ich oft genug - und habe eben manchmal auch genug davon -: Allein mit der Furcht, mich falsch entschieden zu haben, allein mit der Trauer über verpasste Chancen, einsam aber auch, wenn ich mich über etwas freue, das gelungen ist.
Zwischen dem fragwürdigen Kitsch des Herdentiers und dem 'einsamen Kämpfer' steht ein biblisches Gedicht, der Psalm 23:
Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.
Diese Worte beschreiben, wo und vor allem bei wem ich Geborgenheit finden kann. Sie versprechen nicht, mich aus Schwerem herauszuhalten, sondern dass ich auch im Unglück nicht allein bin. Dieser 'Hirte' befähigt mich zum Leben und entmündigt mich nicht. Er stärkt und bestärkt mich auf meinem Weg, auch wenn er mir schmerzliche Erfahrungen nicht erspart. Dieser Hirte verführt mich nicht, das 'finstere Tal' zu vermeiden, aber ich muss es auch nicht mit vor Einsamkeit zugeschnürtem Hals durchschreiten.
Diesem Hirten kann ich trauen, der verführt mich nicht, gedankenlos in der Herdemitzulaufen. Der ermutigt mich, meinen eigenen Weg zu gehen.
Bei diesem Hirten bin ich geborgen: Mit meiner Angst zu versagen wie mit meiner Freude über Gelungenes.
Bei diesem Hirten kann ich mich geborgen fühlen 'mein Leben lang', auch am Ende meines Lebens ...
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