SWR3 Gedanken

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28JAN2022
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Ich sammle ja Worte. Schöne, herausfordernde, ungewöhnliche. In anderen Sprachen gibt es manchmal welche, die gibt es im Deutschen so gar nicht – manche davon könnten wir aber vielleicht gut gebrauchen. Eins davon kommt aus dem Japanischen: Wabi-Sabi heißt es. Und bedeutet übersetzt soviel wie: „Das Schöne im Unperfekten finden.“

Ein Wort, das ab sofort zu meinem Wortschatz fest dazu gehört. Wabi-sabi – das Schöne im Unperfekten finden. Das gefällt mir sehr. Denn: Es muss nicht alles perfekt sein. Ganz und gar nicht. Denn, ganz offenbar, gibt es eben auch im Unperfekten Schönes zu entdecken. Wenn man genau hinschaut. Genau hinhört. Sich Zeit nimmt. Und nicht mit diesem Anspruch an die Welt rangeht, alles immer nur perfekt, fehlerfrei zu machen.

Mir fällt dazu eine Begegnung ein – ein Essen bei Freunden. Große Einladung, es sollte ein besonderes, kompliziertes Essen geben. Ein aufwendiges Rezept, mit viel Schnick und Schnack. Der Tisch perfekt gedeckt, alles just in time, auf den Punkt, großes Kino eben! Dann brannte das Fleisch an, ein Glas Wein kippte um, und beim Versuch, die Lache aufzuwischen, hat es dann auch noch einen Teil der Deko runtergefegt. … Scherben, Gestank, Rauch und ein misslungenes Essen: So war das große Kino nicht gemeint gewesen! Die Gastgeberin war zunächst völlig aufgelöst. Dann haben wir zusammen einfach alles auf- und weggeräumt, eine neue Flasche Wein aus dem Keller geholt, das Brot, das es zu einer der Vorspeisen geben sollte, in Scheiben geschnitten, ein paar Käsereste dazu, uns an den einfachen, blanken Tisch gesetzt – und erst einmal herzlich gelacht. Und dann… wurde das einer der schönsten Abende, an die ich mich erinnere. Das Lachen hat uns die ganze Zeit begleitet. Satt geworden sind wir auch, und entspannt war es. So völlig unperfekt. Und vor allem: Einfach wabi-sabi-schön.

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