SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

27JAN2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Der 27.Januar 1945 war ein Samstag. An diesem Tag hatten Soldaten der sowjetischen Armee das Konzentrationslager Auschwitz erreicht. Was sie dann dort vorgefunden haben, hat sie zutiefst schockiert. Sie fanden 7.000 Menschen im Lager. Ausgemergelt, fast verhungert, viele krank, fast alle völlig geschwächt. Es waren die letzten Überlebenden von Ausschwitz. Mehr als eine Millionen Menschen waren dort in den Jahren zuvor ermordet worden. Heute, am Tag der Befreiung von Ausschwitz, ist ein Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Wir denken an das Leid, das vor allem jüdisch-stämmigen Menschen in unserem Land angetan worden ist. Aber es waren ja nicht nur Juden, die in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten umgebracht wurden. Es waren auch Kommunisten, Sozialdemokraten, Homosexuelle, evangelische und katholische Pfarrer, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung – eben alle, die anders dachten, anders aussahen, anders lebten, und nicht ins ideale Menschenbild der Nationalsozialisten passten. Die Vernichtung begann mit der Ausgrenzung.

Jedes Jahr gibt es eine Jahreslosung. Da ist ein Bibelwort, das uns durch das ganze Jahr begleiten kann. In diesem Jahr lautet die Jahreslosung: „Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen“ (Jh 6,37). Das ist ein Wort gegen Ausgrenzung. Jesus sagt: ich grenze niemanden aus. Nicht wegen der Sprache. Nicht wegen des Lebensstils. Nicht wegen der Hautfarbe. Nicht wegen der politischen Überzeugungen. Nicht wegen der sexuellen Orientierung. Und darum ist Jesus auch auf jene zugegangen, die zu seiner Zeit ausgegrenzt und von anderen als weniger wertvoll angesehen wurden: Frauen, Kinder, Prostituierte, Heiden, Zöllner. Jesus sagte: Auch sie sind geliebte Kinder Gottes.

Vernichtung beginnt mit Ausgrenzung. Wenn ich mich heute an die schrecklichen Ereignisse von Ausschwitz erinnere, dann sind die Worte Jesu für mich eine Mahnung: So wie Jesus niemanden ausgrenzt, weil jeder Mensch für Gott gleich wertvoll ist, so will auch ich niemanden verurteilen oder ausgrenzen, nur weil die Person anders denkt oder anders lebt als ich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34704
weiterlesen...