Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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25JAN2022
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Ein guter Mensch ist genug, um die Hoffnung nicht untergehen zu lassen.“ Dieser Satz von Papst Franziskus steht anscheinend in krassem Gegensatz zu meiner Alltagserfahrung. Meistens erleben wir, dass der Einzelne machtlos ist – ob er sich im Kampf mit der Bürokratie befindet, ob seine Meinung in einer Partei oder auch der Kirche ungehört untergeht oder ob er sich hilflos einer aggressiven Demonstration gegenübersieht – die Beispiele lassen sich problemlos vermehren. „Da kann man als Einzelner nichts machen.“ Dieser Satz fasst scheinbar eine ganze Lebenserfahrung zusammen. Wo soll da Hoffnung herkommen!

Und dann gibt es doch immer wieder Gegenbeispiele. Als Greta Thunberg mit ihrem Schulstreik für das Klima begann, war sie nur ein einzelnes Mädchen vor dem schwedischen Parlamentsgebäude. Und als im August 2020 sogenannte Querdenker das Reichstagsgebäude stürmen wollten, war es vor allem ein einzelner Polizist, der sich den Anstürmenden entgegenstellte und sie aufhielt.

Ein guter Mensch ist genug, um die Hoffnung nicht untergehen zu lassen, sagt Franziskus. Er sagt nicht: Einer allein genügt. Oder ein guter Mensch alleine kann alles schaffen. Nein, einer allein reicht, um die Hoffnung nicht untergehen zu lassen. Und einer allein bleibt häufig nicht allein. Greta Thunberg trat eine weltweite Bewegung los. Und zu dem einzelnen Beamten vor dem Reichstag stellten sich weitere Polizistinnen und Polizisten.

Schon einer allein lässt die Hoffnung nicht untergehen. Das ist auch eine Menschheitserfahrung. Ob das Henry Dunant war, den die Kriegsopfer erschütterten und der das Rote Kreuz initiierte, ob das Mutter Theresa war, die sich vom Elend der Slumbewohner in Indien anrühren ließ, oder ob das der einzelne Polizeibeamte war, der im November 1938 alleine mit gezogener Waffe die große Synagoge in Berlin vor Nazibrandstiftern schützte – auch diese Beispiele lassen sich problemlos vermehren. Dazu gehören auch viele unbekannte Einzelne, die in aller Stille Zeichen der Hoffnung setzen. Sie alle sind Zeuginnen und Zeugen gegen die hoffnungslose Haltung: „Da kann man als einzelner nichts machen.“ Doch, wir können als Einzelne einen Anfang machen. Denn „Ein guter Mensch ist genug, um die Hoffnung nicht untergehen zu lassen.“

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