Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

09JAN2022
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Der Zug knattert durch malerische Herbstwälder und ich träume vor mich hin. Ich bin mit dem Rucksack durch Rumänien unterwegs und plötzlich fällt mir ein, dass ich gar nicht weiß, wie ich vom Bahnhof zu meiner Unterkunft komme. Normalerweise habe ich gerne alles gut vorbereitet. Aber jetzt sitze ich im Zug in einem Land, dessen Sprache ich nicht spreche und die meisten Leute auch kein Englisch. Ich fühl mich unwohl, weil ich einfach nicht weiß, wie es jetzt weitergeht. Mir bleibt nichts anderes übrig als auf die Leute um mich herum einzureden, in der Hoffnung, dass mich irgendjemand versteht.

Und ich hab Glück: Ein junges Pärchen spricht Englisch und meint, ich solle ihnen folgen. Und dann geht alles super fix: Die beiden kaufen ein Ticket für mich und wir nehmen den Bus, laufen links, laufen rechts, und so weiter. Nach 20 Minuten stehen wir direkt vor meiner Unterkunft. Ich bin sprachlos, vor allem, weil ich am Anfang das Gefühl hatte, dass die beiden in eine ganz andere Richtung müssen und sie sich jetzt extra Zeit für mich genommen haben. Wie selbstlos!

Und als ich ihnen das Geld für mein Ticket geben will, lehnen sie es winkend ab: „Ist doch selbstverständlich, du bist Gast in unserem Land! In deinem Land würdest du das auch für uns tun.“

Mit so einer Antwort hatte ich nicht gerechnet. Weil, würde ich das wirklich tun? Bis jetzt habe ich das nämlich noch nicht gemacht.

Klar, ich bin auch schon nach dem Weg gefragt worden und hab den dann auch erklärt. Aber mitgelaufen oder ein Ticket bezahlt hab ich noch nie. Das ist auch mehr, als ich von den beiden erwartet hatte. Die beiden haben ihre eigenen Pläne umgestellt und sich um mich, eine Fremde, gekümmert. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar, denn es war ein wunderbares Gefühl so umsorgt zu werden und zu wissen, ich bin nicht aufgeschmissen. Da ist jemand, der meint es gut mit mir. Jetzt geht es weiter.  

Deshalb will ich meinem Nächsten auch freundlich helfen. Mich und das was ich gerade tun wollte, etwas zurückstellen, um nach dem Anderen zu schauen, weil sie oder er sonst aufgeschmissen ist. Und weil es mir selbst in so einer Situation auch gut tut, dass man sich um mich kümmert. Und ich würde sogar behaupten, wenn das mehr Menschen so selbstverständlich handhaben, wie das Pärchen in Rumänien, dann würde das uns allen gut tun.

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