SWR2 Wort zum Tag

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Es gibt ein paar Lebensfragen, die so alt sind wie die Menschheit selbst, und die doch nie eine befriedigende Antwort erhalten haben. Eine dieser Fragen ist die nach der Herkunft des Bösen in der Welt. Besser, man stellt so eine Frage erst gar nicht, da man ja doch keine Antwort bekommt?
Die Paradiesgeschichte aus der Bibel geht mit dieser Frage um und sie gibt eine überra-schende Antwort: Die Einsicht in die Zusammenhänge von Gut und Böse sind in der Frucht eines Baumes verborgen, den Gott selbst gepflanzt hat. Es ist dem Menschen verboten, von diesen Früchten zu essen. Nur Gott weiß, was es mit dem Baum auf sich hat. Heißt das nun, dass wir die Frage nach Gut und Böse besser nicht stellen?
Das Fatale in der Paradiesgeschichte ist, dass es jenen Baum immerhin gibt. Und mehr noch: Er steht auch noch ausgerechnet mitten im Paradiesgarten. Psychologisch gesehen ist das höchst ungeschickt: das, was unter allen Umständen tabu bleiben soll, so zu platzieren, dass man gar nicht daran vorbeikommt, dass man förmlich darüberstolpert.
Nun, der Baum an sich hat ja nichts Böses, aber er enthält das Geheimnis von Gut und Böse. An ihm entzündet sich sozusagen die Wissbegierde des Menschen, hinter dieses Geheimnis blicken zu können.
Für mich bedeutet das Bild vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, dass es keine Welt geben kann, in der das Problem von Gut und Böse nicht irgendwie brennend und präsent wäre. Alles andere wäre eine Puppenstube geworden – das Trugbild einer ver-meintlich heilen Welt, wie auch immer die aussehen soll.
In der Paradiesgeschichte kennt nur Gott das Geheimnis des Bösen – und es wird vor dem Leser auch nicht weiter enthüllt. Gott hätte den Menschen gerne davor bewahrt, an dieses Geheimnis zu rühren. Aber er konnte den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse – diesen Nabel des Paradieses – auch nicht einfach verschwinden lassen. Die Paradiesgeschichte ist so realistisch und ehrlich, dass sie das Problem von Gut und Böse nicht ausklammert. Es gibt kein Paradies und keine Utopie ohne diesen merkwürdigen Baum.
Doch die Geschichte geht noch weiter: Was aus seinen Früchten einmal entfesselt wurde, soll auch wieder gebannt werden. Wie – davon handelt die Bibel von A bis Z. Der Mensch muss lernen, mit der Erkenntnis von Gut und Böse zu leben. Und Gott sagt ihm zu, ihn dabei zu orientieren, etwa in den zehn Geboten, die die Rahmenbedingungen eines men-schenwürdigen Lebens umschreiben, oder im Licht der Liebe Jesu Christi, die den Menschen für ein Leben im Vertrauen auf Gott gewinnen will.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3455
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