Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Die Leinwand hängt schief, ist verknittert (...) Die Lautsprecher knistern, manchmal fallen sie ganz aus (...) Man sitzt auf unbequemen, quietschenden Holzsitzen und es wurde nicht mal sauber gemacht.“
So sieht Hape Kerkeling die Kirche. In seinem Santiago-Buch vergleicht der Komiker sie mit einem Kino auf dem Dorf. Wer den Saal betritt, merkt sehr schnell: Das Haus hat schon schon bessere Tage gesehen. Es ist also kein reines Vergnügen, sich hier einen guten Film anzuschauen.
Doch für Hape Kerkeling ist das Kino die Bühne für Gott. Er schreibt: „Die Vorführung ist mies, doch das ändert nichts an der Größe des Films. Leinwand und Lautsprecher geben nur das wieder, wozu sie in der Lage sind.“
Die miese Vorführung, die schiefe Leinwand, die alten Lautsprecher. Das also ist die Kirche. Da bleibt von Gott nur noch ein schwacher Abglanz. Auch deswegen treten pro Jahr rund 80.000 Katholiken aus ihrer Kirche aus. Da ist man nicht einverstanden mit den Ansichten des Papstes oder der Bischöfe. Oder man ärgert sich über das Verhalten des Gemeindepfarrers und anderer kirchlicher Mitarbeiter. Mit dem „lieben Gott“ – so ist zu hören – habe man ja keine Probleme. Wenn da nicht sein „Bodenpersonal“ wäre.
Zugegeben: In der „heiligen“ Kirche geht es oft genug unheilig zu. In ihr arbeiten eben Menschen wie du und ich – mit ihren Macken, Fehlern und Grenzen. Sie haben den Auftrag, die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes erfahrbar zu machen. Aber das gelingt häufig nur unvollkommen.
Und doch, allen Unzulänglichkeiten zum Trotz: die vielen Frauen und Männer, die in der Kirche tätig sind, übertragen Bild und Ton des Evangeliums auch in unsere Zeit. Manchmal mit minderer Qualität, manchmal aber auch mitreißend und begeisternd. Im Gemeindeleben, in der Jugend- und Altenarbeit, in Krankenhäusern und Pflegeheimen, in Sozialstationen und Obdachlosenasylen. Bei uns und in aller Welt.
Gottes Film bleibt ein Meisterwerk. Darauf kommt es an. Und deshalb sitze auch ich immer wieder in diesem etwas klapprigen Kino, das sich Kirche nennt. Genauso wie Hape Kerkeling. Und der hat noch eine Hoffnung: „Irgendwann können wir uns den Film in bester 3-D- und Stereo-Qualität unverfälscht und in voller Länge ansehen. Und vielleicht spielen wir dann ja sogar mit.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3443
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