SWR1 3vor8

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28NOV2021
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Ich bin Pastoralreferent Martin Wolf von der Katholischen Kirche und ich wünsche Ihnen einen guten Morgen.

Es ist schon ein eigenartiger Beginn der Adventszeit heute. Auch in diesem Jahr. Die Vorfreude auf Weihnachten, die die kommenden vier Wochen doch prägen sollte, vermischt sich bei so vielen wieder mit düsteren Gedanken und mit Sorge. Um ihre wirtschaftliche Existenz. Um liebe Angehörige, und auch um die eigene Gesundheit. Und in diese bedrückende Situation hinein hören die Besucherinnen und Besucher der katholischen Gottesdienste heute auch noch so einen Satz aus der Bibel: Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen. (Lk 21, 26) Das ist schon ziemlich starker Tobak. Fast könnte es ein Kommentar auf die aktuelle Krisensituation im Land sein. Statt wohliger Vorweihnachtsstimmung im Glühweindunst eine verstörende Rede über das Ende. Und dabei wünschte ich mir so dringend etwas anderes. Etwas, das aufbaut. Mir Hoffnung gibt.

Ich weiß aber auch: Mein Glaube, das Christentum, ist keine Wohlfühlreligion. Kein Wellnessprogramm, bei dem alle immer happy und total gut drauf sein müssen. Das macht schon das Bild des Gekreuzigten klar, das mir in jeder christlichen Kirche, die ich betrete, sofort ins Auge fällt. Nein, mein Glaube kennt persönliche Lebenskrisen, Krankheit und auch die Momente, in denen ich untröstlich bin. Zum Beispiel, weil ich am Sarg eines geliebten Menschen stehe. Er blendet die Abgründe nicht aus, in die ich geraten kann. Und genau darum kann er mich tragen. Ich muss die dunklen Tage nicht leugnen. Sie gehören zu meinem Leben. Und ich muss sie weder durch aufgesetzten Frohsinn noch durch fromme Sprüche zukleistern. Aber mein Glaube bleibt bei den Abgründen nicht stehen.

Richtet euch auf und fasst Mut, denn dann ist eure Erlösung nahe, heißt es im Bibeltext nur ein paar Zeilen später. (Lk 21,28) Erlösung, das ist so ein großes und leider oft auch missbrauchtes Wort. Zu viele selbsternannte Heilsbringer haben sich schon zu vermeintlichen Erlösern aufgespielt. Ich möchte es für mich an diesem Adventsmorgen darum lieber im Kleinen buchstabieren: In der Dunkelheit zu stehen und dennoch darauf zu vertrauen, dass da Licht ist am Ende des Weges. Traurig und mutlos zu sein und trotzdem zu hoffen, dass das nicht das letzte Wort sein wird. Diese Hoffnung verbinde ich mit Gott. Sie gehört zum Kern meines Glaubens. Das ist „Advent“.

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