SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Ob Gesundheit das höchste Gut ist, fragen die die katholischen und evangelischen Kirchen in Deutschland in den kommenden Tagen. Alljährlich veranstalten Sie eine „Woche für das Leben“, in diesem Jahr zum Thema Gesundheit. Ein wichtiges Thema, wer wünscht es sich nicht, gesund zu sein? Gleichzeitig wissen wir: Krankheit gehört zum Leben. Wer das ausblendet, ist unrealistisch. Ich finde in diesem Zusammenhang Gedanken des Theologen und Psychotherapeuten Dietrich Ritschl sehr hilfreich. Er beschäftigt sich mit dem Heilen und unterscheidet verschiedene Arten des Heilens.
Da ist zunächst die Selbstheilung. Der Körper schafft es von sich aus, wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Das ist natürlich ein besonderes Glück, und zudem kostet es keinen Cent.
Das zweite ist die Heilung als Reparatur. Ein Mensch wird durch einen Eingriff, z.B. in der Chirurgie oder durch eine andere Therapie wieder gesund; es geht ihm wieder so wie vorher.
Oft lässt sich der Defekt aber nicht mehr reparieren, oder nur teilweise. Jetzt ist Heilung nur möglich, wenn wir leben lernen mit Einschränkungen, mit chronischen Krankheiten, mit Schwäche. Dann heißt es, sich neu orientieren, vielleicht sogar neu einen Sinn finden für das eigene Leben, unter veränderten Umständen.
Ritschl spricht überraschenderweise noch in einer weiteren Situation von Heilung, nämlich dann, wenn der Tod näherrückt. Heilen heißt für ihn dann: den Tod akzeptieren und akzeptieren, dass wir endliche Menschen sind. Dazu gehört zum Beispiel ein anderes Verhältnis zur Zeit: Leben im Augenblick, in kurzen Zeiträumen; dazu gehört es, Trost und Pflege anzunehmen und vielleicht auch Beziehungen noch einmal zu verändern, die Beziehungen zu Menschen und vielleicht auch die Beziehung zu Gott. (vgl. Dietrich Ritschl, Zur Theorie und Ethik der Medizin. Neukirchen-Vluyn 2004, 113)
Heilung ermöglichen, so wie ein Mensch es braucht und kann - das könnte uns auch im Gesundheitswesen leiten. Dabei die Kräfte wahrnehmen und fördern, die kranke Menschen selbst haben, die Kräfte zum Gesunden und die Kräfte zum Annehmen von Schwäche und von Grenzen. Und die Kräfte zum Vertrauen über diese Grenzen hinaus. Gesundheit ist ein hohes Gut. Ich wünsche es mir. Ich wünsche es Ihnen. Und ich wünsche uns die Kunst, auch in Zeiten der Krankheit gern zu leben. https://www.kirche-im-swr.de/?m=3433
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