SWR2 Wort zum Tag

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26NOV2021
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Radfahrer sind ganz arme Leute, war ein Sprichwort in meiner Kinderzeit. Die müssen sich sogar die Luft pumpen… Letzte Woche hat es mich mal wieder erwischt –  Plattfuß nachdem ich wohl einen spitzen Stein erwischt hatte. Doof, aber leicht zu beheben, dachte ich.  Ersatzschlauch ist ja dabei, war auch schnell auf dem Rad. Und dann: Pumpe kaputt… … können sich nicht mal mehr Luft pumpen,  würde das Sprichwort dann wohl heißen. Vergebliche Anfrage bei einem jungen Mann nebenan: drei Garagen durchsucht, keine Fahrradpumpe.  Und der Kompressor hatte einen falschen Anschluss.

Ich habe das Rad geschultert und durchs Dorf getragen, noch zweimal vergeblich angeklopft –  bis ich endlich in einem Wohnzimmerfenster Fahrradhelme liegen sah. Muss ich eben meinen Mann holen, sagt die Dame an der Haustür –  und der, klar, hat eine tolle Pumpe. Fährt ja auch Rennrad und Mountainbike. Alles klar? Fast.  Leider leider lässt auch der Ersatzschlauch auf meinem Hinterrad  die Luft gleich wieder raus.  Aber der Fahrradkollege hat natürlich auch noch so ein Teil im Keller, originalverpackt, hat aber leider ein schwarzes langes Ventil. Als wenn das ein Problem wäre.

Inzwischen ist mir kalt, ich bin immer noch nervös oder was -  jedenfalls bin ich froh, dass er mir auch beim Einbau von Rad und Kette hilft. Hab mich selten so anfängerhaft hilflos gefühlt. Schließlich alles okay – und ich will wenigstens die acht Euro rausholen, die so ein Fahrradschlauch schließlich kostet. Kommt doch gar nicht in Frage –  und die beiden kaputten Schläuche lassen sie mir hier, die entsorge ich. Man trifft sich ja bestimmt noch mal… Das ist ja nun echte Nächstenliebe, sage ich.  Ach – ist doch selbstverständlich unter Radfahrern!, meint er.

Von wegen Luft pumpen – das ist ja eigentlich schon wie Weihnachten,  sechs Wochen zu früh – was für ein schönes Geschenk...  Fühlte sich auch innerlich ganz warm an, als ich wieder auf dem Bock saß.  Dabei hatte ich morgens noch im Radio gehört, wie rücksichtslos und ich-bezogen die Leute heute angeblich sind.

Ich war reich beschenkt –  einfach durch das selbstverständliche Geholfenwerden inklusive Ersatzteil. Und dadurch, dass mir diese freundlichen Leute  einen Tag gerettet hatten, der sich bis da hin eigentlich doch ziemlich verloren angefühlt hatte.  Da kann ja bis zum richtigen Weihnachtsfest noch viel Schönes kommen!

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