SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

18NOV2021
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Ein Sandkorn und noch ein Sandkorn und noch eins – meine Schwester hat mir eine Sanduhr geschenkt, die zehn Minuten läuft: „Lass sie jeden Tag laufen.“ Meinte sie: „Zehn Minuten. Zeit für Dich.“ Ich finde Sanduhren wirklich toll. Weil man da so ganz deutlich sieht, wie buchstäblich die Zeit verrinnt. Sandkorn für Sandkorn. Ich habe das anfangs wirklich probiert und habe mich an den Esszimmertisch gesetzt und die Sanduhr umgedreht. Das waren vermutlich die längsten zehn Minuten meines Lebens.

Was mache ich denn, wenn ich Mal zehn Minuten einfach nichts machen soll? Eigentlich mache ich doch immer irgendwas. Und, wenn ich nichts mache, dann läuft entweder Musik, ich lese oder beschäftige mich mit meinem Handy. Also mache ich ja doch wieder was. Während ich da so vor mich hinphilosophiert habe, musste ich an einen Satz aus einem alten Gebet in der Bibel denken: Meine Zeit steht in Deinen Händen […].

Eine schöne Vorstellung, finde ich. Meine Lebens-Sanduhr steht nicht irgendwo auf einem Tisch oder einer Kommode. Gott hat sie ihn seinen Händen. Und obwohl er ganz viele Sanduhren in seinen Händen hat, passt er auf jede einzelne auf. Also auch auf mich.

Das zweite, was ich so passend finde ist: Dass auch in der größten Sanduhr irgendwann der komplette Sand von oben nach unten gerieselt ist. Dann ist ganz wortwörtlich meine Zeit gekommen. Leben und Tod, beides gehört zum Menschsein dazu. Und beides ist bei Gott gut aufgehoben. Denn Gott wirft die Sanduhr dann nicht weg. Er dreht sie auch nicht einfach nur nochmal um und alles geht wieder von vorne los.

Der Blick auf die Sanduhr hilft mir, ein bisschen bewusster mit meiner Zeit umzugehen. Irgendwann geht sie zu Ende, aber sie bleibt geborgen bei Gott.

Zugegeben, ich schaffe es immer noch nicht jeden Tag mal zehn Minuten einfach nichts zu tun. Das muss ich aber vielleicht auch gar nicht. Die Sanduhr steht bei uns daheim neben der Kaffeemaschine und jedes Mal, wenn ich mir einen Kaffee hole, dann muss ich an dieses Gebet denken. Danke Gott, dass meine Zeit in Deinen Händen steht. Und dieser Moment gehört dann ganz mir.

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