SWR2 Wort zum Tag

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09NOV2021
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Immer mehr junge Menschen träumen davon, mit 40 Jahren in Rente zu gehen. Kein Witz. Das funktioniert so: Möglichst früh in den Beruf einsteigen und gut verdienen. Dann für einige Jahre sparen, sparen, sparen und viele Aktien kaufen. Dank eiserner Disziplin und etwas Glück an der Börse soll es mit Anfang 40 so weit sein: Das kleine Vermögen reicht, um den Beruf an den Nagel hängen zu können.

Dieses Lebensmodell hat auch einen eigenen Namen: Frugalismus. Frugalismus leitet sich vom Wort „frugal“ ab. Das bedeutet so viel wie genügsam oder einfach. Als Frugalist hinterfrage ich radikal, was ich wirklich zum Leben brauche. Keine teuren Abos, keine Fernreisen, auch nicht das neuste Handy. Außerdem sollte ich gut rechnen können: Wie viel kann ich über die nächsten Jahre ansparen? Und ab wann habe ich genug, um sorgenfrei leben zu können?

Für einen richtigen Frugalisten tauge ich wohl nicht. Die 40 habe ich schon überschritten, und ein großes Aktienpaket habe ich nicht aufgebaut. Mich fasziniert aber der Gedanke vom einfachen Leben. Frugalisten verzichten auf viele Dinge, weil sie meinen: Das brauche ich nicht, um glücklich zu sein. Der Coffee to go aus dem Pappbecher fällt weg, auch bei der Kleidung wählen sie genau aus. Junge Menschen berichten, wie sie sich so freier und zufriedener fühlen. Sie wollen auch später nicht mehr Geld ausgeben. Ihnen geht es vor allem darum, selbst entscheiden zu können, ab wann ihr Leben jenseits der Arbeit beginnt.

Wem die Frugalisten noch nicht weit genug gehen, dem empfehle ich die Geschichten von Frauen und Männern, die in der Kirche als Heilige verehrt werden. Allen voran der heilige Franziskus aus Assisi, der vor 800 Jahren gelebt hat. In seiner Generation hat er einen Trend gesetzt: arm und bedürfnislos zu leben, frei vor Gott und den Menschen. Franziskus ist noch viel weitergegangen als die Sparfüchse heute: Das Erbe seiner Familie hat er in den Wind geschossen. Ein einfaches Gewand war alles, was er besessen hat.

Franziskus hat es auf die Spitze getrieben: Wie viele andere Heilige hat er seinen Besitz komplett abgegeben und weggeschenkt. Ein Frugalist muss hoffen, dass es an der Börse weiter aufwärts geht und ihn keine großen Ausgaben überraschen. Franziskus hat diese Sorge nicht gekannt: Irgendjemand wird ihm schon ein Stück Brot zustecken. Ansonsten fastet er eben.

Wie gesagt besteht wenig Hoffnung, dass aus mir noch ein echter Frugalist wird. Ein Leben wie Franziskus habe ich auch nicht im Sinn. Doch beide Lebensweisen fordern mich heraus: Schau, was Du wirklich brauchst.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34255
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