Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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13NOV2021
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„Es ist ein Hodgkin“, schreibt mir meine Freundin. Ich habe das Wort noch nie zuvor gehört, argwöhne aber schon, dass es nichts Gutes verheißt. Eine Suche im Internet bestätigt meine Befürchtungen. Ich lese quer, stolpere über Wörter wie Krebs, bösartig, Lymphom und Riesenzellen.

Vor wenigen Wochen haben wir noch zusammen auf der Terrasse gesessen und Pläne geschmiedet, über unsere jeweiligen Projekte gesprochen. Sie ist immer so voller Ideen. Da hatte sie schon die Schwellung im Brustbereich, das konnte aber noch alle möglichen Ursachen haben. Wir haben uns die harmloseren Möglichkeiten groß geredet. Aber jetzt hat das Ding einen Namen. Und ist gefährlich.

Was soll ich bloß tun? Es ist leider nicht das erste Mal, dass mich solche Nachrichten erreichen. Ich fühle mich dann immer so machtlos. Und ein bisschen beschämt, weil ich nicht selbst betroffen bin. Alles, was ich sagen oder tun könnte, kommt mir hilflos vor.

Meine Freundin weiß, dass ich für sie bete. Aber mit welchen Worten? Dass sie gesund wird? Dass der Hodgkin aus ihrem Körper und der Krebs aus ihrem Leben verschwindet? Oder dass sie mit allem, was jetzt auf sie zukommt, gut zurechtkommt? Das kommt mir wie eine Kapitulation vor. Ein Plan B für Gott, falls er es sich anders überlegt. Als treue Beterin weiß ich ja, dass er nicht alle unsere Wünsche erfüllt.

Irgendwann stelle ich fest, dass diese ganzen Vorüberlegungen schon ein Gebet sind. Ich ringe noch damit, was ich sagen soll - und vertraue Gott schon alles an, was in mir ist. Und so wird es auch in der Bibel beschrieben: „Hoffet auf Gott allezeit, liebe Leute, schüttet euer Herz vor ihm aus. Gott ist unsere Zuversicht.“ Gott mein Herz ausschütten. Das ist, was ich im Moment unter Beten verstehe. Einfach alles aussprechen, was mich umtreibt. Kein inneres Programm verfolgen.

Schließlich habe ich dann noch eine dicke weiße Stumpenkerze gekauft und sie beklebt. Das mache ich gern. Mit den Händen etwas tun, wenn im Kopf das Denken aussetzt oder sich im Kreis dreht. Aus Wachsplättchen habe ich ihren Namen ausgeschnitten. Und ganz viele Hoffnungssymbole. Bunt sieh die Kerze jetzt aus. So wie die Kerzen, die wir Kindern zu ihrer Taufe überreichen. Damit sie wissen, dass Gott ihren Namen kennt. Und dass nichts und niemand sie aus seiner Hand reißen kann.

Wenn mir die Worte fehlen zum Beten, dann zünde ich jetzt diese Kerze an. Damit Gott ihren Namen liest. Und weiß, was zu tun ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34219
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