SWR2 Wort zum Tag

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06NOV2021
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Über die Wahrheit hat der Schweizer Schriftsteller Max Frisch gesagt: „Man sollte sie dem anderen wie einen Mantel hinhalten, dass er hineinschlüpfen kann - nicht wie ein nasses Tuch um den Kopf schlagen.“ Ein schöner Satz, finde ich, besonders in Zeiten, wo das gesellschaftliche Klima rauer und der Ton schärfer wird.

Die Wahrheit dem Gegenüber wie einen Mantel hinhalten, nicht wie ein nasses Tuch um die Ohren schlagen! An diesen Satz musste ich denken, als ich kürzlich von der Studie "Inside Facebook" las. Die Studie hat untersucht, wie das weltweit größte soziale Netzwerk die Kommunikation seiner Nutzerinnen und Nutzer organisiert.

So werden zum Beispiel, um mehr Aufmerksamkeit zu erzeugen, die Nachrichten danach gefiltert, wie zugespitzt, emotional und auch aggressiv sie sind. „ Es werden Inhalte priorisiert, die Emotionen erzeugen“, sagt eine der Autorinnen, „egal ob Wut, Traurigkeit, Leid oder Empörung - oftmals Dinge, die einen am meisten in die Irre führen oder desinformieren.“

Das bringt zwar die erwünschten Zuwächse. Aber es geht auf Kosten der Wahrheit. Die Verpflichtung, sich an die Wahrheit zu halten, haben alle publizistischen Medien. Aber nicht nur sie. Ich meine, jede und jeder einzelne von uns trägt Verantwortung dafür, in welcher Tonlage wir miteinander reden.

Denn Kommunikation ist kein Boxkampf, bei dem es darauf ankommt, wer die meisten Treffer landet. Sicher, mir liegt schon daran, dass Unterschiede klar benannt werden. Aber genauso ist mir wichtig, Konsens herzustellen da, wo man übereinstimmen kann.

Am besten geht das, wenn ich meinem Gegenüber die Wahrheit wie einen Mantel hinhalte, in den sie oder er hineinschlüpfen kann. 

Manchmal hilft schon ein bisschen Empathie. Eine Nachfrage wie: „Was bewegt dich eigentlich? Wovor hast du Angst? Gibt es etwas, was uns verbindet?“

Gesucht sind Menschen, die solche Brücken bauen zwischen aufgerissenen Gräben. Die zuhören und sich in andere Positionen einfühlen können. Denen es nicht um Selbstdarstellung oder Herabsetzung geht. Sondern die sich darum bemühen herauszufinden, was uns gemeinsam ist und Frieden schafft.

Die Aufgabe, die sich stellt, hat der Prophet Sacharja bereits vor über 2000 Jahren in einem Satz zusammengefasst: „Rede einer mit dem andern Wahrheit und schafft so Frieden in euren Toren.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34213
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