SWR2 Wort zum Tag

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05NOV2021
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Klatsch ist wie Kitt. Er wirkt als sozialer Klebstoff. Das hat eine Arbeitsgruppe der Universität Amsterdam gerade erforscht. Sie kennen das sicher aus beruflichen, aber auch privaten Situationen. Man erzählt sich hinter vorgehaltener Hand „das Allerneueste“. Tauscht das eine oder andere aus, was noch nicht öffentlich ist, aber bald öffentlich werden könnte. Und erfährt sozusagen hinten herum und an den offiziellen Kanälen vorbei, was nützlich zu wissen ist. So schafft Klatsch Bindungen unter denen, die ihn untereinander austauschen.

Aber – und das ist die Kehrseite – Klatsch hat vielfach auch negative Folgen: für alle nämlich, die seine Opfer werden. Denn: Klatsch ist ein mächtiges Werkzeug, um am Ruf einer abwesenden Person zu schrauben. Und sie im schlimmsten Fall sogar zu demontieren.

Ich habe das besonders dann erlebt, wenn Menschen miteinander in Konkurrenz standen. Da ist der Klatsch ein beliebtes Mittel, um Wettbewerber herabzusetzen und sich selbst Vorteile zu verschaffen. In Zeiten digitaler Kommunikation und sozialer Medien geschieht das ganz schnell und sehr effektiv. Da wird ein Mädchen von ihren Mitschülern blamiert und vorgeführt. Einem Wissenschaftler werden Worte in den Mund gelegt, die er nie gesagt hat. Einer Arbeitskollegin ein unschöner Charakterzug angedichtet.

Ich bin mir sicher, zu allen Zeiten haben Menschen das mächtige Instrument des Klatsches zu ihren Gunsten ausgenutzt. Schon die Bibel betrachtet die menschliche Zunge als ein zwiespältiges Organ der Kommunikation. Die Zunge dient wohl in erster Linie der sprachlichen Verständigung. Wenn sie aber nicht gezügelt wird, kann sie immensen Schaden anrichten.

Im Neuen Testament heißt es »Wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede, und seine Lippen, dass sie nicht betrügen.“ Und in den Weisheitsbüchern des Alten Testament steht „Eine heilsame Zunge ist ein Baum des Lebens; aber eine lügenhafte bringt Herzeleid.“

Ich finde, es ist kein Zufall, dass uns unser Schöpfer eine Zunge gegeben hat. Aber zwei Ohren! Vielleicht steckt darin ein freundlicher Hinweis, dass wir besser zweimal so viel hören sollen als reden.
Denn, davon bin ich überzeugt, letztendlich sind Zuhören und Aufmerk-samkeit bessere Bindemittel zwischen Menschen als Klatsch und Tratsch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34212
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