Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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05NOV2021
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Toni Edo ist ein mutiger Mann. 44 Jahre alt und in Nigeria geboren. Seit 2017 lebt er mit seiner Familie in Deutschland. Ich habe über ihn in der Tageszeitung gelesen. Anfang September hat in Rottenburg ein Mann mit einem Messer mehrere Passanten bedroht. Toni Edo hat beherzt und klug eingegriffen. Es ist ihm gelungen, den Angreifer zu überrumpeln und ihm das Messer wegzunehmen. Zwei Wochen später war Toni Edo noch einmal in der Zeitung. Er ist für seinen Mut geehrt worden. Bei beiden Zeitungsberichten hab ich gedacht… Gott sei Dank. Dieses Mal ist der Einwanderer mit afrikanischen Wurzeln der Gute und nicht der Böse. Wie gut, dass es auch mal andersrum ist. Der dunkelhäutige Mann nicht der Täter.

Dass ich so jemals denken würde, hätte ich vor fünf Jahren noch nicht für möglich gehalten. Die Stimmung gegenüber fremden Menschen in Deutschland hat sich verändert. Das merke ich an mir selbst. Es irritiert mich, wenn im Bus niemand außer mir deutsch spricht, obwohl ich eigentlich fremde Sprachen mag. Ich traue mich kaum, das laut zu sagen. In die Ecke der fremdenfeindlichen Menschen gehöre ich nämlich sicher nicht. Ich habe auch keine Angst vor Überfremdung.

 

Viel mehr fürchte ich mich vor Menschen, die andere hassen ohne sie zu kennen. Nur weil sie eine andere Sprache sprechen und in einem anderen Land geboren sind. Solche Verallgemeinerungen gehen mir gegen den Strich. Die Flüchtlinge, die Syrer oder Afghanen gibt es nicht. Immer sind es Menschen mit einer Geschichte, oft mit einer schweren Geschichte. Ein Beispiel aus meinem Lebensumfeld ist im Vergleich zur Geschichte von Toni Edo harmlos. Es zeigt aber sehr klar, was ich meine. Als Lehrerin in einer Grundschule erlebe ich mit syrischen Kindern auch ganz Unterschiedliches. Hiba ist schwer traumatisiert. An Lernen in der Schule ist nicht zu denken. Raya hat Schlimmes auf der Flucht erlebt. Trotzdem findet sie sich gut in Tübingen zurecht, spricht sehr gut Deutsch und lernt neugierig. Da bin ich nicht anders gefordert als mit deutschen Kindern. Ich muss jedes Kind genau kennenlernen und herausfinden, wer was braucht. Alle haben unterschiedliche Voraussetzungen. Bringen unterschiedliche Fähigkeiten mit und haben das Recht so gesehen zu werden. Jeder ist einzigartig. Dafür ist Toni Edo aus Nigeria ein wunderbares Beispiel.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34206
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