Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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04NOV2021
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Moritz sitzt im Rollstuhl. Immer schon. Er ist 30. Seine Eltern haben die Behinderung von Moritz akzeptiert, ohne ihr zu viel Gewicht zu geben. Sie haben getan was sie konnten. Als Kind und Jugendlicher hat Moritz erlebt, wie seine Behinderung ihn einschränkt. Dass er nicht spielen und Sport machen kann wie alle anderen. Dass Partys und Clubs außerhalb seiner Reichweite liegen. Aber er hat gelernt, wie er mit seiner Behinderung leben kann. Selbstbewusst, meistens ohne sich schlecht zu fühlen oder zu schämen. Moritz hat Abitur gemacht. Latein und Mathematik studiert. Sein Referendariat als Lehrer erfolgreich abgeschlossen. So dass er inzwischen an einem Gymnasium unterrichtet. Über ein Dating Portal hat er eine Freundin gesucht und gefunden. Vor wenigen Wochen haben die beiden geheiratet.

Ich kenne Marla, die Frau von Moritz. Auch sie behindert eine Spastik.

Durch die Art und Weise wie Moritz lebt, sagt er:

„Ja, ich bin behindert. Die Spastik schränkt mich in vielem ein. Aber andere Menschen müssen mit anderen Einschränkungen zurechtkommen. Wenn Eltern sich trennen ist das auch nicht leicht für die Kinder. Meine Eltern haben mir immer das Gefühl gegeben, dass mein Leben absolut wertvoll ist. Dass sie mich so lieben wie ich bin. Dass ich mit den Einschränkungen leben lernen werde. Und außerdem ganz viel kann. Ich bin klug. Lerne gerne. Kann singen. Habe Freunde und eine tolle Familie. Ich kann lieben. Ich kann mit meiner Frau alleine in einer Wohnung leben und mir helfen lassen, wo es nötig ist. Ich habe sehr gut gelernt, andere um Hilfe zu bitten ohne mich schlecht zu fühlen. Und zeige jedem, der mir begegnet, dass ich mit meiner Behinderung ein kostbarer Mensch bin. Mich nicht verstecken muss. Dass ich zu dieser Gesellschaft gehöre, wie alle anderen auch. Und meinen Beitrag dazu leiste, dass wir eine menschfreundliche Gesellschaft sein können.“

Die Biographien von Moritz und Marla berühren mich. Ich habe erlebt, wie schwer es für Marla war, einen angemessenen Platz in unserer Gesellschaft zu finden. Mit Moritz ist mir noch klarer geworden, was dafür notwendig ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34205
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