SWR2 Wort zum Tag

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03NOV2021
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Sitzen zwei Männer in einer Bar irgendwo in der Wildnis von Alaska. Der eine ist religiös, der andere Atheist. Die beiden diskutieren über die Existenz Gottes. Sagt der Atheist: „Pass auf. Letzten Monat bin ich weit weg vom Camp in einen fürchterlichen Schneesturm geraten, ich hab mich total verirrt, vierzig Grad unter null, und da hab ich geschrieen: „Gott, wenn es dich gibt, dann hilf mir jetzt!, ich stecke in diesem Schneesturm fest und sterbe, wenn du mir nicht hilfst!“

Der religiöse Mann schaut den Atheisten ganz verdutzt an: „Na, dann musst du jetzt doch an ihn glauben“, sagt er. „Schließlich sitzt du quicklebendig hier neben mir“.
Der Atheist verdreht die Augen: „Quatsch, Mann, da sind bloß zufällig ein paar Eskimos vorbeigekommen und haben mir den Weg zurück ins Camp gezeigt“.

Ein und dieselbe Erfahrung kann für zwei verschiedene Menschen einen unterschiedlichen Sinn haben. Es ist eine Frage der Deutung.

Das hat der amerikanische Schriftsteller und Philosoph David Foster Wallace in einer inzwischen berühmt gewordenen Rede erörtert.

In dieser Rede zeigt er eindrücklich auf, wie sehr unsere „Standardeinstellung“, das, was wir erleben immer wieder bestätigt. Wie wenig offen wir sind für eine unvoreingenommene Sicht auf die Welt. Erst recht für „das Wahre und Wesentliche, das hinter den Dingen liegt und sich uns nicht immer gleich und offensichtlich erschließt“.

Das gilt, wie die kurze Geschichte vom Anfang zeigt, auch in der Frage des Glaubens. Eine Erfahrung, zwei ganz verschiedene Deutungen. Für welche würden Sie sich entscheiden?

Ich für mich kann sagen, dass es durchaus Dinge gibt, die ich Gott und nicht dem Zufall zuschreibe. So wie der religiöse Mann. Ich kenne aber auch die Erfahrung, dass Gott mein Gebet nicht erhört hat.

Ich glaube, dass Gott, manches Mal, so meine „Standardeinstellung“ und religiöse Selbstgewissheit aufbricht. Das ist nicht immer einfach. Und schmerzt. Aber dennoch glaube ich weiter an ihn. Weil es für mich Sinn macht, dass nicht alles einfach bloßer Zufall ist, sondern dass da einer ist, der seine Hand im Spiel hat. Und es außerdem mir völlig überlässt, wie ich es deute.

Für welche Deutung Sie sich auch entscheiden mögen. Ich wünsche Ihnen in jedem Fall zur rechten Zeit ein paar Eskimos am rechten Ort!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34195
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