SWR4 Feiertagsgedanken

SWR4 Feiertagsgedanken

01NOV2021
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Jemand sagt zu mir: „Ich bin kein Heiliger!“ Er meint damit: „Ich hab meine Fehler. Ich lang schon mal tüchtig daneben. Tret‘ ins Fettnäpfchen. Na, und die eine oder andere Versuchung … Ich bin kein Heiliger.“

Ich höre mir das an und frage mich: Gut, aber wer ist denn eigentlich ein Heiliger? Haben wir nicht alle unsere Schwächen und Fehler? Und machen die uns nicht gerade menschlich?

Ich habe neulich Holzfiguren von Leuten gesehen, die immer „heilig“ genannt werden. Die standen in einem alten Altarbild in einer großen Kirche. Wunderschön geschnitzt, viel Gold.

Da war einmal Petrus, ein Jünger von Jesus. Der wird immer mit einem Schlüssel in der Hand dargestellt, den kann man leicht erkennen. Neben ihm Maria, die Mutter von Jesus: Für Katholiken bestimmt die Heilige schlechthin! Aber auch mir als Evangelischem ist sie sehr wichtig. Und Petrus auch. So unterschiedlich die beiden sind.

Ich fang mal bei Petrus an. Den mag ich wirklich sehr! So wie die Bibel von dem erzählt, war der aber ein ziemliches Großmaul! Petrus, der hat Jesus schon richtig nachgeeifert. Mit ganzem Herzen. Aber ein paar Mal hat er den Mund dann doch zu voll genommen. Übers Wasser wollte er zu Jesus gehen. Und ist dann vor Angst untergegangen. Immer und überall hin wollte er Jesus nachfolgen. Selbst in den Tod. Und ist dann doch weggelaufen, um seine Haut zu retten.  

Ich stelle mir Petrus wie einen gutmütigen, ziemlich lauten Riesen vor. Kräftig wie drei – und mit dem Herzen eines kleinen Kindes. Und der ist heilig? Dieser Raufbold, dieses Großmaul! Dieser Kindskopf – aber eben auch: dieses reine kindliche Gemüt.

Maria passt da schon besser. Die fügt sich immer in das, was passiert. Was Gott auch mit ihr vorhat, sie macht mit, ohne sich zu beschweren. Dabei ist sie blutjung, als wir sie in der Bibel kennenlernen. Aber sie hat keine Flausen im Kopf. Gott wird schon wissen, wie’s weitergeht, denkt sie. Und geht mit.

Ja, Maria ist ganz bestimmt so, wie man sich Heilige allgemein vorstellt: demütig und sanft. Na ja, denke ich: Das ist auch das Bild, was man sich jahrhundertelang von Frauen gemacht hat. Aber langsam: die Heiligenfigur, die ich da neulich gesehen habe, die hatte den Teufel fest unter ihren Fuß geklemmt. Der hatte keine Chance mehr!

Und Petrus, der ist ja auch mit Jesus überall hin mitgegangen. Na ja, er hat es wenigstens versucht. Hat halt nicht immer und nicht immer auf Anhieb geklappt. Aber am Ende dann schon.

Vielleicht waren die beiden einfach nur sehr unterschiedlich, Petrus und Maria? Ganz unterschiedliche Typen? Könnten sie dann nicht für uns als Vorbild dienen? So unterschiedlich, wie auch wir sind?

Wir Menschen lernen ja durch Abgucken und Nachmachen. Ein kleines Kind guckt ganz genau, was Mama und Papa und die anderen Erwachsenen tun. Und vor allem die großen Geschwister, die sind fast noch interessanter! Könnten Petrus und Maria nicht so etwas wie große Geschwister für uns sein? Petrus wäre ein ziemlich draufgängerischer und großmäuliger großer Bruder. Aber er hat das Herz auf dem rechten Fleck! Und Maria wäre eine sehr sanftmütige und geduldige große Schwester. Aber auch eine sehr starke und mutige. Eine, die immer dranbleibt. Die sich nie beirren lässt.

Es gibt noch viele andere Figuren in der Bibel, die solche Vorbilder sein können. Menschen, von denen wir uns etwas abgucken können. Und natürlich gibt es die nicht nur in der Bibel. Die gibt es überall. Zuerst sicher in der eigenen Familie. Ich denke an meine Mutter, die mir die Geschichten aus der Bibel eröffnet hat. Meinen Vater, der mir schöne Kirchen gezeigt hat. Auch die, in der ich gerade wieder die Heiligenfiguren gesehen habe. Meine Oma, die mich immer zum Abschied gesegnet hat. Meinen Patenonkel, der mir zur Taufe ein wunderschönes Marienbild geschenkt hat. Der war übrigens auch evangelisch! Und das Bild hing dann über meinem Bett.

Diese Menschen haben mir von ihrer Hoffnung erzählt. Mir von ihrem Vertrauen abgegeben. Diese Erinnerungen sind mir wirklich heilig. Und ich bin noch vielen anderen Heiligen begegnet in meinem Leben. Menschen, die sich selbst nie für Heilige gehalten hätten. Aber die es gewesen sind. Für mich und für andere.

Manche von denen hatten es selbst nicht leicht. Die hätten allen Grund gehabt, sich zu beklagen. Aber ihre Hoffnung und ihr Gottvertrauen waren stärker. Darauf haben diese Menschen gebaut und weitergemacht. Sich nicht zurückgezogen. Sie sind einfach da gewesen, wenn sie gebraucht wurden. So haben sie es geschafft, dass jemand wieder lächeln konnte, unter den Tränen. Dass jemand wieder den Kopf heben und nach vorne blicken konnte. Dass sich jemand einfach nur gefreut hat, am Leben zu sein.

Das sind für mich Heilige. Vorbilder, ein großer Bruder, eine große Schwester. Jemand, der ein Stück mehr vom Weg sieht. Der eine Hand reicht. Der einen Arm um einen legt. Der seine Schulter anbietet, an die man sich lehnen kann.

Ich meine: Wir alle können solche Heiligen sein. Sie und ich. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Feiertag Allerheiligen!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34146
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