SWR1 Begegnungen

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17OKT2021
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Tobias Haberl Copyright: Olaf Unverzart

Begegnungen mit Christopher Hoffmann...

...und mit Tobias Haberl, Redakteur beim Magazin der Süddeutschen Zeitung und Buchautor. Ich treffe ihn in München, wo der Journalist lebt und arbeitet. Der 46-Jährige ist für seine Essays, Portraits und Interviews bekannt. Heute darf ich ihm Fragen stellen. Denn er hat mich mit seinem Buch „Die große Entzauberung“ neugierig gemacht. Darin geht es um die Frage, ob unser immer digitaleres Leben glücklich macht. Der Untertitel lautet: „Vom trügerischen Glück des heutigen Menschen“ – was meint er damit?

Der bezieht sich darauf, dass all diese technischen Möglichkeiten, die ja immer noch mehr werden, die ja immer noch tiefer in unsere Persönlichkeit, in unsere Identität, in unseren Alltag dringen, die versprechen ja Glück, und es ist auch oft mit einem Glück verbunden, aber meiner Meinung nach oft mit einem sehr kurzfristigen, nicht anhaltenden oder vielleicht sogar eben trügerisch täuschenden Glück, weil irgendwas fehlt: ein letzter Sinn, eine letzte Verortung, ein letzter Trost  - und da sind wir dann vielleicht wirklich bei Religion  - fehlt und diese Dinge hinterlassen eine unglaublich Lücke, das empfinde ich so.

Spannend, finde ich. Tobias Haberl schreibt im Magazin auch über schöne Reisen oder Lifestyle-Themen. Aber ihm ist es wichtig, dass Konsum und digitale Vernetzung nicht die Frage nach dem eigentlichen Sinn zuschütten. Deshalb ist für ihn Religion ganz wichtig:

Religion ist Unterbrechung des Alltags. Dass es Pausen gibt. Dass ein Sonntag nicht zum Arbeiten da ist, sondern dass die Dinge mal ruhen und dass vielleicht auch die Geschäfte zu sind. Und das alles löst sich ja auf in einer Welt des Konsums und der Dauerbeschallung und der Unterhaltung und der Vernetzung. Das ist für mich fast wie eine Zuflucht, weil ich ja auch in Gefahr bin mich zu verlieren in diesen digitalen Strömen und Feedbackschleifen. Und in dem Moment, wo ich versuche, wenn ich aufwache, noch nicht aufzustehen, sondern langsam zu atmen, zur Ruhe zu kommen und noch ein paar Worte an Gott zu richten oder wenn ich rausgehe dann so beim Gehen vor mich hin murmele – ich murmele dann auch wirklich und manchmal schauen mich auch Leute komisch an, weil ich die Lippen so bewege – und mich bedanke, dass ein neuer Tag da ist, dann ist der Einstieg in den Tag schon mal gemacht und ich spür so eine Verbindung, so ein eingebettet sein in eine sinnhafte Logik .

Und doch fällt ihm das als Journalist, dessen Handy den ganzen Tag fiept und der immer am Puls der Zeit sein muss, nicht immer leicht:

Weil ich schon zu nervös bin, weil ich weiß in meinem Kopf sind so Spiegelstriche, was ich alles zu erledigen hab, aber manchmal gelingt es eben doch und man merkt wie notwendig das ist, dass diese Konsumlogik, diese Vernetztheitslogik konterkariert wird durch einen Raum, wo das alles nicht zählt. Und das empfinde ich als tröstlich und gibt mir Kraft. Aber da wechseln sich auch Phasen ab, wo mir das besser gelingt und wo mir das schlechter gelingt, wo ich näher bei Gott bin und wo ich weiter weg von Gott bin.  

Mich interessiert: Wer ist dieser Gott für Tobias Haberl? Und ich erlebe einen wortgewandten Journalisten, der nach Worten ringt:

Tu ich mich ganz schwer, das zu formulieren. Ich kann es nicht formulieren. Es ist eine Liebe, eine weltumspannende Kraft, eine Energie. Also in dem Moment, wo man es sozusagen fasst, hat man schon danebengegriffen, weil Gott nicht greifbar ist. Gott ist Liebe, das trifft es vielleicht noch am Ehesten.

Ich treffe den Journalist Tobias Haberl. Der 46-Jährige ist groß und sportlich und als Redakteur mittendrin im Zeitgeschehen. Und trotzdem oder gerade deshalb hat er kürzlich für das Magazin der Süddeutschen Zeitung einen langen Essay über das Thema Tod und Sterben geschrieben. Warum?

Weil es sozusagen den Blick schärft für Prioritäten und worum es geht. Und auf diesen Text hab ich so viele Reaktionen bekommen wie nie zuvor in meinem ganzen Leben auf einen Text. Also unfassbar viele Postkarten, Briefe, Mails, Einladungen. Und ich hab schon gemerkt, da ist offensichtlich ein Thema, was ganz vielen zu schaffen macht, wo sie Bedarf haben drüber zu reden, sich auszureden, seitenlange Briefe mit tragischen Verlustschilderungen, war eine extrem anrührende Erfahrung, hab tagelang gebraucht um zu antworten.

Als gläubiger Katholik wünscht er sich, dass auch die Kirchen sich bei den Fragen rund um Leben und Tod in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen und dass sie betonen, dass der Mensch immer auch gebrechlich, schwach, endlich ist. Und dass Trauer, Behinderungen oder Krankheit keine Makel sind, sondern menschlich:

Da würde ich sagen muss die Kirche sich immer wieder einmischen und sich in Erinnerung rufen und zwar genau diese Themen, die in unserer Gegenwartslogik an den Rand gedrängt, übertüncht, oder als zu schwierig empfunden werden. Die Menschen brauchen diese Themen und auch den Trost und die Hoffnung.

Hoffnung für Tobias Haberl ist auch der Glaube an die Auferstehung, an ein Leben nach dem Tod bei Gott:

Ich hab natürlich Angst vor dem Tod und vor dem Sterben und natürlich suche ich Trost auch im Gedanken des ewigen Lebens, des Paradieses. Wohin führt das alles, egal wie viele Twitter-Follower ich hab? Also irgendwas, irgendeine Leerstelle bleibt und da spielt für mich die Religion als Trost und Zufluchtsort dann doch eine ganz große Rolle.

Und wer den Tod nicht verdrängt, der stellt auch die Sinnfrage. Die stelle ich auch Tobias Haberl: Was ist für ihn der Sinn des Lebens? Der Journalist überlegt lange, bevor er eine Antwort gibt:

Der Sinn im Leben: also natürlich letztlich zu Gott zu finden religiös gesprochen und ansonsten kann ich nur ganz banal und aufrichtig antworten, was ich jeden Tag versuche: nämlich etwas Gutes zu hinterlassen, etwas Gutes in die Welt zu bringen und Begegnungen zu erleben, aus denen irgendwas entsteht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34120
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