Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

17OKT2021
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Der Pfarrer bietet im Pfarrblatt einen „Gottesdienst to go“ an. Er schreibt: “Rufen Sie an oder schreiben Sie mir. Wir vereinbaren einen Termin und ich komme zu Ihnen nach Hause – mit Gottes Wort, Brot und Kelch im Gepäck – und wir feiern Gottesdienst. Wann und wo Sie wollen. Ich freue mich auf Sie.“ Schon die ersten Christen hätten ihre Gottesdienste in Privathäusern gefeiert, meint er, warum also nicht auch wir.

Auf mich wirkt dieses Angebot merkwürdig. Mir ist das zu viel Serviceorientierung. Gottesdienst frei Haus auf dem Niveau von Amazon oder Lieferando. Das wirkt auf mich regelrecht anbiedernd.

Doch je länger ich darüber nachdenke, desto mehr dämmert mir, dass der Pfarrer sein Angebot wahrscheinlich nicht ernst meint. Will er wirklich im Messgewand mit Brot und Kelch durch die Gemeinde ziehen, schlimmstenfalls von Wohnung zu Wohnung? Ich glaube, sein Angebot ist in Wirklichkeit ironisch gemeint, und er will etwas ganz anders sagen: Wollt ihr das wirklich, liebe Gemeindemitglieder, eine reine Servicekirche, die Euch den Gottesdienst auf den Küchentisch trägt? Einen sehr kuscheligen, privaten Gottesdienst in Eurer häuslichen Enge? Nach den langen Monaten, in denen wir alle viel zu viel zu Hause waren - wollt ihr, liebe Gemeindemitglieder, nicht vielleicht doch wieder mal raus, endlich mal wieder in einen öffentlichen Raum und in Gemeinschaft Gottesdienst feiern – anstatt alleine oder nur mit der Familie zu Hause vor Fernsehgottesdiensten zu sitzen? Ja, die ersten Christen haben in Privathäusern gefeiert, aber doch nur so lange, bis sie in öffentlichen Räumen feiern konnten.

Ich glaube, der Pfarrer will mit seinem übertriebenen Angebot nicht anderen Service- und Lieferdiensten Konkurrenz machen. Er will mit seinem ironischen Ton wieder in Bewegung versetzen, indem er deutlich macht: Das kann es doch nicht sein, dass wir uns auch religiös alle ins Private zurückziehen.

Bei mir hat der Pfarrer Erfolg. Ich werde ihn nicht an den Wohnzimmertisch bestellen, sondern wieder einen öffentlichen Gottesdienst besuchen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34119
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