SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

15OKT2021
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Hier drückt es und da zwickt es. Alte Leute sprechen gern und viel über ihre Beschwerden. Ich aber auch. Wenn ich mit Freunden zusammen bin, geht es manchmal nur noch um Krankheiten. Das ist zwar gut, weil ich daran merke, dass wir uns echt füreinander interessieren. Aber ich merke auch, dass es meine Stimmung drückt, wenn wir nur noch über solche Themen reden. Für mich klingt das genau nach dem, was ich von einem Gebet kenne, das der heiligen Teresa von Avila zugeschrieben wird. Darin heißt es: „Lehre mich schweigen über meine Krankheiten und Beschwerden. Sie nehmen zu - und die Lust, sie zu beschreiben, wächst von Jahr zu Jahr.“ Teresa bittet Gott auch, dass er ihr hilft, wenn andere nur von ihren Krankheiten reden. Er muss ja nicht dafür sorgen, dass es ihr Freude macht, meint sie. Ihr wäre schon geholfen, wenn er ihr zeigt, wie sie das mit Geduld ertragen kann.

Wenn andere ihre Krankheiten schildern, kenne ich beides. Bei den einen kann ich mit echtem Interesse zuhören, bei anderen ertrage ich die Schilderungen nur mit Ungeduld. Ich vermute, dass das daran liegt, dass ich bei manchen Leuten den Eindruck haben, dass sie nur noch sich selbst sehen. Aber ich werde auch ungeduldig, wenn ich denke, dass einer die Lust auslebt, die Krankheiten zu beschreiben. So wie es in dem Gebet ja auch heißt.

Das Gebet der heiligen Teresa hat zwei Seiten: Die eine, wo ich andere mit Geduld anhöre und die, wo ich mit meinen Beschwerden gehört werde. Und ich denke, dass beides sich die Waage halten sollte. Denn jeder Mensch braucht es, dass andere sich um ihn sorgen und mit ihm mitfühlen.

Mir ist es vor kurzem so gegangen, als ich mit einem Freund telefoniert habe. Wir haben uns lange nicht gesprochen und ich habe erst mal ausführlich meine Wehwehchen geschildert. Zum Glück habe ich ihn irgendwann auch mal gefragt, wie es ihm geht. Und ich war schockiert als er mir dann von einer schweren Krankheit erzählt hat, die er hat. Meine Wehwehchen sind im Vergleich dazu nicht so schlimm. Im ersten Moment war mir das ziemlich peinlich.

Mir hat das die Augen geöffnet, dass es dabei um ein Geben und ein Nehmen geht, bei dem ich mich darum kümmern will, dass der, mit dem ich rede, nicht zu kurz kommt. Wenn ich mich am Wochenende mit Freunden treffe und mit ihnen rede, will ich das üben und ganz gezielt zuhören, wenn sie auf meine Frage antworten: Und wie geht es Dir?

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