SWR3 Gedanken

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10OKT2021
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Ich bin mit meinen Lieben im Chinarestaurant meines Vertrauens, und mal wieder begeistert. Denn ich liebe chinesisches Essen und außerdem fühlt es sich super an, wenn dich jemand von vorne bis hinten bedient. Einfach nur dasitzen und genießen wie sich der Tisch langsam vor deinen Augen füllt: Vorspeisen, dampfende Reisschalen und eine Delikatesse nach der anderen.

Ich kann das genießen so bedient zu werden, weil ich auch die andere Seite kenne. Vor ein paar Jahren hab ich nämlich hier als Kellner gearbeitet. Da war ich  derjenige, der die Speisen zu den Leuten balanciert. Die Stimmung und die freudigen Gesichter, wenn die zischenden Köstlichkeiten auf den Tisch kommen – da habe ich mich immer mitgefreut.

Und wie ich jetzt hier als Gast am Tisch sitze, frag ich mich: Was ist seliger, geben oder nehmen? Bedienen oder sich bedienen lassen?

Beides ist wichtig! Ich packe gerne mit an. Zum Beispiel eine Waschmaschine in den dritten Stock schleppen oder einem Kumpel ein Deluxe-Butterbrot schmieren. Dann bediene ich, damit andere sich schonen können.

Aber mindestens genauso wertvoll ist es, wenn ich mich selbst auch mal bedienen lassen kann. Und als gerade die Frühlingsrollen anrollen, erinnere ich mich an meinen argentinischen Freund José – ein lebenslustiger Freigeist. Als er mich beim Essen bedient hat, wollte ich aufstehen und helfen. Da fährt er mich direkt an: „Pfoten weg – bleib sitzen!“ Und dann sagt er noch: „Ché, dejame amar!“ Das heißt auf Deutsch: „Junge, lass mich lieben!“

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