Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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13OKT2021
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Es interessiert mich nicht, wer angefangen hat – es interessiert mich, wer aufhört! Den Satz habe ich von einer erfahrenen Lehrerin gehört. Das hat sie zu Kindern gesagt, als sie Streit schlichten musste. Die Wirkung war beeindruckend. Die Kinder waren überrascht – und das übliche anklagende „aber der hat..., aber die hat“ war sofort beendet.

Es interessiert mich nicht, wer angefangen hat – es interessiert mich, wer aufhört! Ich finde, der Satz kann auch uns Erwachsenen guttun. Immer wieder treffe ich Menschen, die tief in Konflikte verstrickt sind. Zum Beispiel mit ihren Geschwistern – beim Erbe hat es angefangen, und jetzt hört es einfach nicht mehr auf. Oder mit dem Nachbarn – am Anfang standen unterschiedliche Vorstellungen, wie es im Garten auszusehen hat. Am Ende redet man nur noch über den Anwalt miteinander.

Es interessiert mich nicht, wer angefangen hat – es interessiert mich, wer aufhört! Klar, manchmal ist es schon wichtig, noch einmal genau zu schauen, wie sich ein Streit entwickelt hat. Und ja – auch, wer an was schuld ist.

Aber ich habe den Eindruck: Konflikte sind häufig so festgefahren und unübersichtlich – da ist es gar nicht mehr möglich, genau zu klären, wie es angefangen hat und was alles in der Vergangenheit schiefgelaufen ist. Da hilft nur ein Neuanfang. Jemand muss den Mut haben aufzuhören. Also auch: dem Gegenüber nicht mehr nachzutragen, was war. Im besten Fall: zu verzeihen.

Jesus hat das auch so gesehen. Wie oft muss ich einem Menschen vergeben, der mir Unrecht tut, hat sein Freund Petrus ihn gefragt. Und vorsichtig dazugefügt – wohl   wissend, dass Jesus in dieser Sache hohe Ansprüche hat: Bis zu siebenmal? Nein hat Jesus geantwortet, siebenundsiebzigmal! (Ich denke, das heißt im Klartext so etwas wie andauernd. Ständig haben wir anderen Menschen etwas zu verzeihen – und sie uns.

Leicht ist das nicht. Manchmal muss man ganz schön schlucken. Der Sprung über den eigenen Schatten kostet Mut. Aber immer wieder gelingt es. Dass Menschen anfangen aufzuhören mit dem Streit. Nach langer Zeit wieder auf den Nachbarn zugehen. Ohne wieder von vorne anzufangen mit den Vorwürfen.Die Schwester doch wieder zum runden Geburtstag einladen, als Zeichen für einen Neuanfang – trotz allem, was war.

Auf jeden Fall: Wenn zwei es schaffen, sich wieder die Hand zu reichen, macht es das Leben für alle viel leichter. Das ist ein großes Geschenk. Und ich finde: Ein Grund dankbar zu sein. Für alle.

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