Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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09OKT2021
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„Finde den Fehler!“ So heißt ein Spiel, das es in unzähligen Variationen gibt. Der Titel klingt altertümlich. Kein Wunder, das Spiel ist ein Klassiker. In einem Antiquariat hab ich mal zwei Exemplare aus dem Jahr 1900 gesehen. Kleine Mädchen sollten an den Bildern lernen, welche Gegenstände man braucht, um einen Haushalt zu führen, und welche nicht. Und Jungs sollten spielerisch lernen, deutsche Uniformen von denen anderer Armeen zu unterscheiden. Heute sieht dieses Spiel anders aus. Da steht dann eher: „Im rechten Bild sind 10 Fehler versteckt. Wo sind sie?“ Aber das Prinzip ist dasselbe geblieben.

Fehler suchen macht Spaß. Als Zeitvertreib oder als nettes Gehirnjogging. Aber auch im ‚richtigen Leben‘ werden ständig Fehler gesucht. Anscheinend sind wir darauf programmiert, dass immer alles so ist, wie wir‘s erwarten. Und was da nicht reinpasst, irritiert. Menschen brauchen Ordnung. Nicht von ungefähr sagt das Sprichwort: Ordnung ist das halbe Leben. Das ist richtig: das halbe Leben. Zum Problem kann die Ordnung dann werden, wenn sie sich nicht mit dem ‚halben Leben‘ zufriedengibt, sondern das ganze fordert. Wenn sie nach und nach mein ganzes Leben bestimmen will.

Lange Zeit wurden Kinder vor allem dazu erzogen, Ordnungen einzuhalten, keine Fehler zu machen. Was man nichtdarf, war wichtiger als das, was man darf und soll, und woran man Freude haben kann. Das habe ich selbst noch so erlebt. In der Schule, und in der Kirche auch. 

‚Finde den Fehler!‘ – das ist nicht nur ein Spiel. Es ist ein Prinzip, ohne das es keinen Fortschritt gäbe. Aber es kann nicht das einzige Prinzip sein. Sonst wird das Leben eng. Und ich selbst kann darüber eng werden und pedantisch und kleinlich, anderen gegenüber, aber auch zu mir selbst. Ich kann mich dann ständig über die ärgern die sich irgendwas rausnehmen, was verboten ist und was man eigentlich nicht macht. 

Aber ich muss ja nicht immer ‚Finde den Fehler!‘ spielen. ‚Finde, was gut ist!‘ wär doch auch mal ein schönes Spiel. Finde, was gelingt. Was ich kann, und was andere gut machen. Ich hab‘s schon ausprobiert, dieses andere Spiel. Am Anfang muss man schon ein bisschen üben, aber dann macht‘s ebenso viel Spaß. Und das Beste daran: Bei diesemSpiel kann man nur gewinnen.

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