Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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09OKT2021
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Wie ich heiße, wo ich herkomme, wie ich lebe. Das muss ich immer wieder mal erzählen. Wenn ich mich in einer neuen Gruppe vorstelle. Wenn ich neue Bekanntschaften schließe. Da schnurrt mein Leben auf ein paar Fakten, auf einige Geschichten, manchmal auch nur auf wenige Momente zusammen. Sie stehen dann für mein ganzes Leben.

Ich ertappe mich dabei, dass ich dann gerne die hellen, die glücklichen Momente in den Mittelpunkt stelle. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass es viele genauso halten. Egal, wer da sein Leben erzählt, fast immer herrschen die guten Seiten und schönen Momente vor.

Aber ganz ehrlich: Richtig spannend wird ein Leben doch erst dann, wenn auch die Niederlagen auf den Tisch kommen. Wenn von peinlichen Momenten erzählt wird. Wenn das, was schiefgelaufen und schlecht war auch zur Sprache kommt.

Denn Leben besteht aus mehr als immer nur neuen Stufen auf einer Erfolgsleiter. Leben ist von Höhen und Tiefen geprägt. Und davon, dass man eben manchmal gar nichts lernt aus vergangenen Erfahrungen. Dass man Fehler immer wieder macht. Ich weiß, dass ich manchmal schneller rede als denke. Und dann mit einer unbedachten Bemerkung andere verletze. Ich weiß das und doch passiert es mir immer wieder.

Ich finde, der ungeschönte Blick auf die eigene Biographie tut auch gut. Er macht mir deutlich, dass ich erlösungsbedürftig bin. Dass ich jemanden brauche, der mir sagt: Es ist ok. Ich trage dir nichts nach. Ich verzeihe dir. Ich mag dich – trotz allem. Trotz der Fehler und aller Schuld. Trotz der Brüche im eigenen Leben.

Ich merke: Ich bin auf die Gnade anderer angewiesen. Darauf angewiesen, dass ich angenommen bin – so wie ich bin. Und ich kann nur hoffen, dass mir das immer wieder passiert. Dass andere gnädig auf mein Leben sehen. Und das heißt auch: Ich soll und darf auch gnädig mit dem Leben anderer umgehen.

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