Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
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Ich erlebe im Moment sehr stark: Es werden Unterschiede zwischen Menschen gemacht. Gerade in der politischen Diskussion, aber auch im Alltag. Wer was zählt. Wer ins Land kommen darf. Wer gerettet werden soll aus Krieg und Not. Es scheint so, als gäbe es unterschiedliche Arten von Menschen.
Mich erinnert das an eine Diskussion, die über 500 Jahre zurückliegt. Damals erobern die Europäer die sogenannte Neue Welt, Südamerika. Einer von ihnen ist Bartolomé de Las Casas. Der Priester ist einer der Eroberer, lebt dort wie viele andere auch: Er hat Sklaven, besitzt Ländereien, macht Geld. 1514 aber kommt die totale Kehrtwende. Las Casas entdeckt bei einer Bibellektüre: Gott ergreift immer wieder Partei für Arme und Unterdrückte. Las Casas begreift: Wenn die Bibel von den Armen redet, für die Gott sich einsetzt, dann meint sie auch die indigenen Völker der Neuen Welt. Er versteht, dass es sich bei ihnen um Menschen handelt, die allen anderen Menschen gleichgestellt sind. Dass auch sie Gottes Geschöpfe sind – wie jeder Mensch überhaupt.
Für den Dichter Hans Magnus Enzensberger ist das die wahre Entdeckung der Neuen Welt: Dass Las Casas jedem Menschen die gleichen Rechte zuschreibt.
Las Casas setzt seine Erkenntnis in die Tat um. Er verzichtet öffentlich auf die ihm zugeteilten Sklaven, gibt seinen Landbesitz auf. Damals ein Skandal. Doch der Priester besteht darauf: Die Achtung der Rechte aller Menschen ist eine vernunftgemäße Einsicht. Die kann jeder Mensch nachvollziehen. Und für diese Einsicht setzt sich Las Casas ganz praktisch ein - bis vor den Kaiser geht er, um für die Menschen in Lateinamerika zu kämpfen. Las Casas' Einsatz mündet Jahrhunderte später in den allgemeinen Menschenrechten. Und die beharren darauf: Alle Menschen haben die gleiche Würde und darum kommt allen gleiches Recht zu.
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