SWR2 Wort zum Tag

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04OKT2021
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Eine katholische Freundin hat mir von der Heiligen Rita erzählt, die vor 600 Jahren in Umbrien gelebt hat. Da ich evangelisch bin, liegen mir Heilige in der Regel nicht unbedingt nahe. Doch bei Rita ist das anders. Meine Freundin hat nämlich erzählt: Die Heilige Rita ist die Heilige für die aussichtslosen Fälle. Ich bin daraufhin sofort ihr Fan geworden! Wie wunderbar, dass mit Rita die aussichtslosen Fälle eine eigene Heilige haben! Statt den Kopf in den Sand oder in die Schlinge zu stecken, werden Menschen ermutigt, eine neue Perspektive einzunehmen. Ihre Situation erscheint in einem anderen Licht, und das finde ich sehr charmant!

Ich habe mir dann noch aus der Lebensgeschichte der Heiligen erzählen lassen. Sie lebte in einem Kloster und wurde von einer offenbar ziemlich sadistischen Äbtissin dazu verdonnert, jeden Tag einen toten, vertrockneten Baum zu gießen. Klaglos tat sie dies Jahre lang, bis eines Tages dieser Baum tastsächlich ein grünes Blatt austrieb. Die heilige Rita kümmerte sich jedoch nicht nur um die Botanik, sondern versorgte als Hebamme Schwangere und junge Mütter, deren Aussichten in der damaligen Zeit tatsächlich düster waren – wie viele Mütter starben unter der Geburt oder im Kindbett.

Erfolgstypen kommen meist ganz gut alleine klar. Aber was ist mit denen, bei denen Hopfen und Malz verloren scheint? Mir leuchtet auch aus eigener Erfahrung unmittelbar ein, dass Menschen in aussichtslosen Lagen einen Hoffnungsschimmer brauchen, am besten einen geheiligten. Jemanden, der zu ihnen sagt: Gib nicht auf! Ich glaube an dich! Du stehst das durch!

Die Heilige Rita hat Rosen geliebt, und nach ihrem Tod – so heißt es - fand man einen Dorn in ihrem Herzen und einen in ihrer Galle. Ich nehme das mal symbolisch. Jemandem wie mir wäre angesichts des Elends der Welt, vor allem aber ganz sicher angesichts einer despotischen Äbtissin, die Galle hochgekocht. Oder ich hätte mir alles viel zu sehr zu Herzen genommen. Beides ist nicht unbedingt zielführend. Rita dagegen ließ sich nicht unterkriegen und integrierte den Widerstand in ihr Leben. An ihr biss sich selbst eine bösartige Äbtissin die Zähne aus!

Nach ihrem Tod hat man sie dann in einen Glassarg gelegt und darin ist sie immer noch zu bestaunen. Der Pilgerstrom zu ihrem Grab ist ungebrochen. Es gibt eben überall auf der Welt genügend Menschen, deren Situation aussichtslos erscheint und die sich nicht damit abfinden wollen. Ich bin mir übrigens sicher, dass sich Rita – wenn sie denn aus dem Himmel auf das menschliche Treiben hinabschauen kann – über Nachfolgerinnen und Nachfolger freut, die wie sie ein Herz für die Aussichtslosen haben, ein gutes Wort oder tätige Hilfe.

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