SWR3 Gedanken

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29SEP2021
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Manchmal lohnt es sich, an was dran zu bleiben, auch wenn man das Gefühl hat, jetzt ist eigentlich Schluss. Vielleicht kommt ja doch noch etwas.

Eine gute Freundin erzählt mir eine Story, die sie mit ihren Eltern erlebt hat, und ich habe den Eindruck, sie hat ihre Geschichte fertig erzählt. Ich will grade ansetzen und meinen Senf dazu geben, da legt sie nochmal los, und jetzt kommt erst, worum es ihr eigentlich geht. Sie sagt mir, warum ihr die Geschichte so wichtig ist und was da noch so alles mitschwingt in ihrer Familie. Und das war wichtig, weil ich erst jetzt kapiere, aha, die Geschichte hat eine tiefere Bedeutung für sie. Darum geht es ihr.

Ich kenne das auch selbst, dass ich eine Story erzähle und die ist nur die Startrampe für das, was mich wirklich beschäftigt. Wenn ich dann loslege, steht zuerst mal die Geschichte im Mittelpunkt. Die ist leichter zu erzählen, als das, was in mir drin los ist. Dann sind Leute Gold wert, die gut zuhören können. Die Freundin von mir zum Beispiel, die kann das richtig gut. Sie hält sich mit ihren eigenen Gedanken und Ratschlägen erst mal zurück und sie bleibt dabei bis zum Schluss. Und damit hilft sie mir, dass ich das auch ausspreche, was in mir drin so los ist. Manchmal wird mir erst, wenn ich das jemandem erzähle, klar: Aha, so geht’s mir also grade. Nach so einem Gespräch habe ich dann immer ein richtig gutes Gefühl.

Ich finde, das hat sogar etwas göttliches, wenn ein Mensch einem anderen aufmerksam zuhört und dadurch zeigt: Ich bin da und du interessierst mich. Das tut richtig gut. So stelle ich mir auch Gott vor: als eine gute Zuhörerin, die einfach da ist und mir signalisiert: „Deine Geschichte interessiert mich. Erzähle bitte weiter!“

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