SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

29SEP2021
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Zwei Wochen sind wir schon wieder im neuen Schuljahr unterwegs. Beim Blick in meinen Kalender stelle ich fest, wie schnell dieses Jahr zu Ende gehen wird. Nur noch fünf Wochen bis zu den Herbstferien. Neun Wochen bis zum Advent und drei Monate bis Weihnachten.

Dabei fällt mir auf, wie viel ich noch vorbereiten muss. In den Herbstferien möchte ich mit meiner Familie verreisen; dann steht auch schon der Geburtstag meiner Tochter an, den sie natürlich mit ihren Freundinnen feiern möchte; die Adventszeit wollen wir als Familie gemeinsam gestaltenund dann all die Weihnachtsvorbereitungen...

Grundsätzlich plane ich gern langfristig– so kann ich in meinem Job viel Stress vermeiden und mich vor allem im Familienleben gut für unerwartete Turbulenzen wappnen. Seit ich Mutter bin, brauche ich einfach etwas Sicherheit in meinem Alltag.

Doch dann denke ich mir: Vielleicht verpasse ich bei all der Planerei auch ab und zu, was gerade, in diesem Moment, um mich herum passiert. In einer Zeitschrift lese ich: „Genaugenommen leben sehr wenige Menschen in der Gegenwart, die meisten bereiten sich gerade vor, demnächst zu leben.“ Ich muss zugeben: Das trifft auch auf mich zu. Ich plane meine Woche oft so dicht, dass ich eigentlich nur vom einen zum anderen hetze, statt mir wirklich Zeit für den Moment zu nehmen. Oft erwische ich mich dann dabei, vor dem Ballettsaal meiner Tochter zu stehen, und schon das Abendessen zu planen oder den nächsten Tag mit meinem Mann organisatorisch durchzugehen, statt meiner Tochter beim Sport zuzusehen. Oder die ständige Sorge, was wohl mit unseren Schulklassen passiert in dieser Coronazeit, anstatt zu genießen, als Lehrerin gerade in Präsenz unterrichten zu können.

Meinen Kindern passiert so etwas nicht: Die beiden leben voll im Hier und Jetzt. Sind immer offen für das, was gerade kommt. Klar, die haben auch kaum Verantwortung, müssen nicht an morgen denken. Aber trotzdem bewundere ich sie dafür, dass sie jederzeit ein Auge für das haben, was im Moment passiert: Sie sehen den Käfer am Wegrand. Wenn wir beim Einkaufen sind, hören sie so lange wie möglich dem Straßenmusiker zu. Und sehen sofort, wenn ihnen unbekannte Kinder einen Ball zurollen, um sie zum Mitspielen einzuladen. Die beiden sind jederzeit offen für solche Momente. Momente, die nicht geplant werden können; die alles um einen herum vergessen lassen, aber gerade deshalb so spannend und schön sind.

Auch wenn ich gerne plane, möchte ich mir Zeit nehmen für die ungeplanten Dinge. Das ist gar nicht so einfach, aber Gott sei Dank darf ich von meinen Kindern lernen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33974
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