SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Gott muss ein Gärtner sein. Denn als er sich entschließt, die Welt zu schaffen, da hat er nichts Besseres zu tun, als so schnell wie möglich einen Garten anzulegen. Sicher: Erst kommen Licht und Finsternis, Himmel und Erde. Aber schon am dritten Schöpfungstag lässt Gott es blühen und grünen. Gott legt einen Garten an, noch bevor Tag und Nacht, Tiere und Menschen geschaffen werden.
Gott hat etwas übrig für Gärten. Kein Wunder: Im Garten erfahre ich jedes Frühjahr aufs Neue das Wunder der Schöpfung. Gerade im Frühjahr: Die Natur blüht auf – und überrascht Jahr für Jahr. Zuerst setzen sich die ersten Schneeglöckchen gegen die Kälte zur Wehr. Sie halten trotzig ihre kleine Blüte in die ersten Sonnenstrahlen. Dann kommen die Krokusse aus dem Boden. Über Nacht. Meistens entdecke ich sie erst, wenn sie schon aufblühen. Dann geht es Schlag auf Schlag: Immer mehr Blüten, Primel, Hyazinthe, Forsythie. Und Grün bricht im Garten auf. Jahr für Jahr reißt mich der Frühling mit, zeigt seinen Durst nach Leben, trägt mich ins Jahr. Der Garten raunt mir eine alte Botschaft zu: Der Winter, die Nacht, die Kälte haben nicht das letzte Wort. Das letzte Wort hat das Leben.
In jedem Garten hinterlässt Gott seine Spuren. Denn jeder Garten besteht aus zwei Welten. Die eine Welt können wir sehen. Es ist die Welt der Blüten und Blätter, der Gräser und Bäume, die bunte, die grüne Welt. Es ist die Welt, die ganz offensichtlich schön ist. Und zeigt, wie schön die Natur sein kann. Die andere Welt ist verborgen, sie liegt unter der Scholle: Es ist die Welt der Wurzeln. Denn alle Pflanzen brauchen Wurzeln, egal wie unterschiedlich sie sind. Sie brauchen Wurzeln zum Wachsen oder um sich an einem Ort festzuhalten.
Offensichtliches und Verborgenes: So lässt sich Gott erleben. Immer wieder können wir das Gesicht Gott sehen: in Menschen, die andere aufblühen lassen, in einem Wort, das tröstet oder hilft, in einer Geste, die Leben lässt. Und gerade das lässt ahnen, dass Gott viel mehr ist, verborgen, unergründlich – und doch wie Wurzeln unter der Erde lebenswichtig.
Gott hat etwas übrig für Gärten. Vielleicht, weil jeder Garten von Gott erzählt. Von seiner Schönheit und seinen Geheimnissen. Und weil jeder Garten von Ferne an das Paradies erinnert, an eine Zeit, in der Gott und Menschen gemeinsam in einem Garten lebten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3396
weiterlesen...