Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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27SEP2021
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In der deutschen Sprache gibt es genau EIN Wort, um „ich“ zu sagen. Jetzt habe ich gelernt: in der Sprache Kambodschas, dem Khmer, gibt es dafür viele unterschiedliche Wörter. Ungefähr 100. So viele Möglichkeiten, um „ich“ zu sagen. In dieser Sprache wird nämlich sehr genau unterschieden, mit wem ich gerade spreche und welche Rolle ich dabei habe. Spreche ich als Frau mit einem Mann? Habe ich einen niedrigeren Rang oder einen höheren? Spreche ich mit einem Mönch? Bin ich älter oder jünger als mein Gegenüber? Und so weiter. Ich glaube, es ist gar nicht so einfach, im richtigen Moment den richtigen Ausdruck für „ich“ zu verwenden. Dazu muss ich nämlich wissen, wer ich jetzt gerade bin.
Wer bin ich?


Dietrich Bonhoeffer, ein evangelischer Theologe, der wegen seines Widerstands gegen die Naziherrschaft im Gefängnis saß, hat sich mit dieser Frage intensiv auseinandergesetzt.
Manche, die mit ihm gefangen waren, haben ihm gesagt: „Du wirkst so stark! Als könnte Dir nichts und niemand etwas anhaben.“ Sie waren beeindruckt von diesem Mann und seiner Haltung. Er selbst hat sich aber ganz anders erlebt: so verletzlich, einsam, und manchmal untröstlich.

Wer bin ich?
Bin ich eher so, wie die anderen mich wahrnehmen, oder eher so, wie ich selbst mich erlebe? Oder bin ich beides? Bin ich heute so und morgen anders? Bin ich bei diesem Menschen so und bei einem anderen ganz anders?
Schwierige Fragen. Manchmal bin ich mir selbst rätselhaft und weiß kaum noch, wer ich eigentlich bin.
Wer bin ich? Dietrich Bonhoeffer hat seine Gedanken dazu aufgeschrieben. Er hat für sich keine endgültige Antwort gefunden. Und doch ist er wohl zur Ruhe gekommen. Denn am Ende münden seine Gedanken und Fragen in ein Gebet. Er spricht Gott an. „Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!“

Mich berührt Bonhoeffers Gebet. Dieses Vertrauen: auch wenn ich manchmal nicht wirklich weiß, wer ich bin – du, Gott, bist mein Gegenüber. Du kennst mich. Zu dir gehöre ich. Dann kann ich mir selbst immer wieder ein Rätsel sein, aber du weißt, wer ich bin. Das reicht mir. „Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!“

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