SWR2 Wort zum Tag

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Titel: Ein Schutzpatron fürs Internet

Teaser: Heute erinnert die Kirche an Isidor von Sevilla. Ihm verdanken wir die erste wissenschaftliche Enzyklopädie, er legte den Grund für die ersten Universitäten im Mittelalter.

Text:
Für Jugendliche klingt das wie ein Märchen: Es war einmal vor vielen Jahren, da konnten die Menschen tatsächlich noch ohne Internet leben und arbeiten. Wirklich ein Märchen, denn für Jugendliche geht ohne Internet gar nichts. Und ich frage mich manchmal selbst, wie ich denn früher ohne Internet zurecht gekommen bin.
Kein Wunder, dass fast eine Welt zusammenbricht, wenn man mal wieder nicht rein kommt. Seit einigen Jahren gibt’s für solche Fälle himmlischen Beistand. 2001 wurde Isidor von Sevilla zum Schutzpatron der Surfer bestimmt. Heute ist sein Festtag.
Ein Heiliger fürs Internet? Auf den ersten Blick eine absurde Idee. Zumal dieser Heilige im sechsten Jahrhundert geboren wurde. Wie also kommt Isidor zum Internet?
Der spanische Mönch war ein echter Bücherfreak. In kirchlichen Schulen, die er gründete, gehörten Bibliotheken zum Standard. Und er förderte mit eigenen Büchern die wissenschaftliche Ausbildung von Geistlichen. Isidor gehörte darüber hinaus zweifellos zu den bedeutendsten Schriftstellern des Frühmittelalters. Er schrieb unglaublich viel, eine Fülle naturwissenschaftlicher, historischer und theologischer Werke.
Sein wichtigstes Werk ist die »Etymologiae«. In ihr fasst Isidor das gesamte Wissen seiner Zeit zusammen. 20 dicke Schmöker voller Informationen über Gott und die Welt. Die findet der spanische Gelehrte in den Werken anderen Autoren. Das ist auch seine eigentliche Leistung: Er entdeckt das antike Wissen neu und stellt es in seinem Werk zusammen. Kein Wunder, dass Isidors gewaltiges Lexikon zum Standard-Nachschlagewerk für Theologen und Wissenschaftler wird. Über Jahrhunderte hinweg.
Wenn das Internet also einen Heiligen braucht, dann scheint Isidor genau der Richtige zu sein: Denn er lieferte – wie das Internet – Zugang zum Wissen der Welt. Aber wofür braucht man denn überhaupt einen Internet-Heiligen? Heilige sind Vorbilder im Glauben – und immer auch Patrone von Berufsgruppen oder für bestimmte Lebenssituationen. Ein Patron setzt sich nach antiker Vorstellung für seine Schutzbefohlenen ein. Einer wie Isidor tut also gut, wenn man mal wieder am komplexen Wissen der Welt verzweifeln möchte. Wenn man durch den Wust an Information nicht mehr durchblickt. Isidor von Sevilla hat genau diese Situation bewältigt. Salopp formuliert: Heilige wie Isidor zeigen, wie das Leben bewältigt werden kann. Dadurch trösten sie, ermutigen, schaffen sozusagen einen seelischen Vorrat an Lebens- und Weltbewältigung. Und den kann man im Umgang mit dem Internet wirklich gut gebrauchen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3395
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