SWR4 Abendgedanken

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22SEP2021
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Wer Freundschaft halten will, verzeiht Unrecht; wer es immer wieder auftischt, macht Freunde uneins.“ – das steht so in der Bibel und das hat mich ins Nachdenken gebracht. Ich wusste sofort, was gemeint ist. Jede Freundschaft lebt auch von Vergebung. Je näher sich Menschen kommen, desto leichter und desto tiefer können sie sich verletzen.

Und deshalb brauchen wir alle es, dass Freundinnen und Freunde zueinander sagen: „Ich vergebe dir!“ – „Wer Freundschaft halten will, verzeiht Unrecht.“ Das leuchtet ein. Und das kenne ich.

Doch das andere, das beschäftigt mich: „Wer Unrecht immer wieder auftischt, macht Freunde uneins.“ Es passiert so oft, dass sich befreundete Menschen zwar vergeben, aber die Familie, andere Freunde oder auch Kolleginnen und Kollegen sind sehr viel nachtragender. Immer wieder fangen sie davon an, immer kratzen sie den Schorf von der Wunde. Eltern wollen gern, dass ihre Kinder mit den „Guten“ unterwegs sind, dass sie Partner finden, die verlässlich sind. „Ich wünsch dir Liebe ohne Leiden“, hat Udo Jürgens gesungen – und ich kenne nur wenige, die nicht sofort wissen, was gemeint ist.

Ganz klar, ich denke auch manchmal, ich müsste die, die mir wichtig sind, beschützen und sie daran erinnern, dass sie von jemandem schon einmal enttäuscht wurden. Ganz selten nur ist das richtig: Wenn jemand zum Beispiel wirklich bösartig ausgenutzt wird.

Meistens ist es richtig, die Menschen zu beglückwünschen, wenn sie bereit sind, zu vergeben. Wie gut ist es, wenn unsere Lieben die Größe haben, selbst gute Freundinnen und Freunde zu sein. Das Leben ist so kurz und es ist ein Glück, wenn wir auf unserem Weg Freundinnen und Freunde finden. Und „wer Freundschaft halten will, verzeiht Unrecht“.

Warum sollte ich dem im Wege stehen? Ganz ehrlich: Mir fallen nur sehr egoistische Gründe ein. Also will ich jemand sein, der andere darin bestärkt, zu vergeben und zu verzeihen. Ich will jemand sein, der anderen Mut macht, auch das Risiko einzugehen, verletzt zu werden. ich will jemand sein, der anderen gönnt, dass sie mit verziehenem Unrecht und vergebener Schuld immer wieder neu anfangen. Denn Freundschaft ist etwas sehr Kostbares, das will ich bewahren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33935
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