SWR2 Wort zum Tag

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21SEP2021
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Marmelade müssen wir in unseren Urlaub nie von zu Hause mitnehmen. Wir kaufen sie am Straßenrand. Gekocht aus Früchten direkt aus der Region. Mit Sanddorn etwa. Oder mit Heidelbeeren. Auch Kartoffeln kann man so kaufen. Oder Schnittblumen. Neben dem Stand steht eine kleine Kasse. In die wird dann das das Geld geworfen. Vertrauenskasse nennt man diese Art der Bezahlung. Irgendwie scheint dieses System zu funktionieren. Sonst würde es nicht so oft praktiziert.

Mir geht es jedes Mal irgendwie nah, wenn ich in eine Vertrauenskasse bezahle. Ich erlebe hier eine Art des Umgangs miteinander, die auf Kontrolle verzichtet. Und das in einer Welt, die angeblich nicht mehr so gut ist. Da sind Vertrauensklassen eine Möglichkeit zu zeigen, dass das gut geht, dem anderen erst einmal Gutwilligkeit und Ehrlichkeit zu unterstellen. Oder mein Gegenüber dazu zu verlocken. Weil es kaum einen Menschen unberührt lässt, wenn jemand sagt: Ich misstraue dir nicht. Und du musst auch nicht erst beweisen, dass du’s ehrlich meinst. Diese Erfahrung kann einen Menschen ändern. Da bin ich ganz sicher. Und ich frage mich, warum das nur bei Marmelade funktionieren soll.

Seit dem Jahr 2002 ist jedes Jahr am 21. September der Weltfriedenstag. Ausgerufen von den Vereinten Nationen. Unterstützt vomkumenischen Rat der Kirchen, der jedes Jahr an diesem Tag dazu aufruft, Wege des Friedens zu suchen. Im konkreten politischen Handeln. Und im Gebet. Natürlich ist es beim Frieden nicht so einfach wie beim Kauf eines Glases voll Marmelade. Aber die Frage, ob sich eine friedlichere Welt leichter erreichen lässt mit Konzepten, die nur die eigene Sicherheit im Blick haben, stellt sich für mich schon ganz drängend. Meist führen sie nur zu immer neuen Spiralen des Vertrauens allein auf die Kraft militärischer Möglichkeiten. Die schrecklichen Bilder vom Flugplatz in Kabul haben das sehr leidvoll vor Augen geführt.

Es geht nicht um Blauäugigkeit, dazu ist die Weltlage zu komplex und zu angespannt. Es muss immer die Möglichkeit geben, Schwächere zu schützen. „Selig sind, die Frieden stiften“ (Matthäus 5,9), sagt Jesus in der Bergpredigt. Frieden stiften, das ist ein aktiver Prozess, bei dem ich auch in eine Art Vertrauenskasse einbezahle. Mit meinem Vertrauensvorschuss. Und mit der Bereitschaft, den Frieden auch anders zu wagen als nur im Vertrauen auf die eigene Stärke.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33929
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