SWR2 Wort zum Tag

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18SEP2021
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Der Jurist Thomas Galli hat viele Jahre Gefängnisse geleitet. Als Gefängnisdirektor in Bayern und Sachsen hat er gesehen: Wer lange weggesperrt ist, hat hinterher nur noch mehr Probleme. Gewalt, Drogen, Einzelzelle – daraus werden keine besseren Menschen.

Thomas Galli argumentiert ganz praktisch mit Kosten und Rückfallquoten. Er schlägt vor: Statt viele Jahre hinter dicken Mauern zu verschwinden, sollen die Straftäter in kleineren Gruppen zusammenkommen. Es braucht viel mehr offenen Vollzug und sozialen Einsatz, um später wieder gut in der Gesellschaft leben zu können. Wer anderen geschadet hat, soll jetzt etwas für andere tun. Das Ziel lautet: Den Fehler ein Stück weit wieder gut zu machen.  

Von solchen Ideen höre ich nur selten. Häufiger ist davon die Rede, Verbrecher hart zu bestrafen. Das schafft angeblich Gerechtigkeit und Sicherheit. Doch weder im Großen noch im Kleinen scheint es mir klug, so rigoros vorzugehen.  

Die Alternative lautet vereinfacht gesagt: Ehrlich die Schuld zugeben und Ideen entwickeln, wie es besser laufen kann. Wie schwer das sein kann, sehe ich gerade bei meinem Freund Marco. Sein Sohn hat die Schule abgeschlossen und will sich eine schöne Zeit machen: Party, Reisen, neue Schuhe. Dafür hat er in den letzten Wochen immer wieder Geld bei seinen Eltern stibitzt. Marco ist richtig wütend. Er sagt: „Jetzt muss ich meinen Geldbeutel schon vor meinem eigenen Sohn verstecken! Am liebsten würde ich ihn rauswerfen.“

Da werbe ich mit Engelszungen für andere Ideen. Harte Strafen will ich Marco ausreden: „Dein Sohn könnte sich einen Job besorgen und das Geld zurückzahlen. Oder mehr im Haushalt helfen. Wenn er sich tagelang in seinem Zimmer einschließt, hat niemand etwas davon. Gib Deinem Sohn eine Chance, seinen Fehler wieder gut zu machen. Zeige ihm, wie er sich neues Vertrauen erarbeiten kann.“

Für mich gilt im Großen wie im Kleinen: Entscheidend ist, was langfristig weiterhilft. Die Strafe ist kein Selbstzweck. Klar geht es darum, sich ohne Wenn und Aber der eigenen Schuld zu stellen. Statt die Schuld danach nur abzusitzen, sollen Taten folgen: Anpacken und sich für andere einsetzen – umso wieder gut zusammen leben zu können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33926
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